Künstler aus den beiden Koreas brachten unterschiedliche Erinnerungen an den Koreakrieg (1950-1953) zum Ausdruck. Bei der Darstellung von Tod und Zerstörung während des Bruderkriegs unterscheiden sich ihre Perspektiven und Kunststile deutlich.
Innerhalb von nur drei Tagen nach Beginn des Koreakrieges am 25. Juni 1950 wurde Seoul von den nordkoreanischen Truppen eingenommen. Künstler, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, sahen sich gezwungen, unter Führung der linksgerichteten Koreanischen Künstlerallianz Großporträts des russischen Diktators Josef Stalin oder des nordkoreanischen Staatsgründers Kim Il-sung zu malen. Als die Truppen Südkoreas und der Vereinten Nationen im September desselben Jahres Seoul zurückeroberten und die nordkoreanischen Soldaten zum Rückzug zwangen, wurden diese Künstler der Kollaboration mit dem Feind beschuldigt. Maler wie Gi Ung (1912-1977) und Kim Man-hyeong (1916-1984), die unter der kurzen kommunistischen Herrschaft mit der nordkoreanischen Armee zusammengearbeitet hatten, flohen in den Norden. Zusammen mit denen, die bereits vor oder während des Krieges freiwillig nach Nordkorea gegangen waren, sollen rund 40 Künstler die Seiten gewechselt haben. Darunter gab es sicherlich welche, die sich aus Überzeugung dafür entschieden, aber auch welche, die aus der Befürchtung überliefen, dass die von ihnen während der kommunistischen Herrschaft begangenen Taten Konsequenzen nach sich ziehen würden.
Der 38. Breitengrad von Kim Won. 1953. Öl auf Leinwand. 103 × 139 cm.
Das Gemälde zeigt eine Gruppe von Flüchtlingen bei dem Versuch, die Grenzlinie zwischen den beiden Koreas zu überqueren. Der dunkelblaue Erdboden und der rote Himmel stehen für ihre Verzweiflung und für ihren Schmerz, die hellen Strahlen über dem Hügel am rechten Bildrand symbolisieren Hoffnung.
Kunst im Süden
Spuren der Geschichte von Nam Kwan. 1963. Öl und Collage auf Leinwand mit einem imitierten Rosteffekt. 97,5 × 130,5 cm. Nationalmuseum für Moderne und Zeitgenössische Kunst, Gwacheon.
In dieser melancholischen und emotionalen Rückblende auf tragische Momente im Krieg deuten abstrakte Formen langer und kurzer Striche mitleiderregende Szenen an, die sich vor einem Kreuzschraffur-Hintergrund aus Licht und Schatten abspielen, in dem die Zeit still geblieben zu sein scheint.
Über die nationale Tragödie des Bruderkriegs sind in der Literatur nicht wenige Meisterwerke entstanden, für die Malerei lässt sich das jedoch kaum behaupten. Bedenkt man die Brutalität des Konflikts, der auf beiden Seiten erhebliche Verluste forderte, ist die Zahl der Werke, die Schlachtszenen realistisch darstellen, eher gering. Eines davon ist Die Schlacht bei Dosol-san von Yu Byeong-hui, der dem südkoreanischen Verteidigungsministerium unterstehenden Fernmeldetruppe angehörte. Das Werk zeigt eine erbitterte Schlacht, die 1951 im felsigen Hochland des Taebaek-Gebirges ausgefochten wurde. Während die südkoreanische Nationalflagge hoch oben in der Bildmitte flattert, liegt die nordkoreanische Nationalflagge blutgetränkt auf dem Boden. Bei dieser Schlacht, die zu den fünf wichtigsten Operationen der südkoreanischen Marineinfanterie zählt, verloren schätzungsweise 2.260 nordkoreanische und 700 südkoreanische Soldaten ihr Leben.
Sieg von Lee Quede (Auschnitt). 1958. Ein Wandgemälde im Chinesisch-koreanischen Freundschaftsturm. Ölgemälde. 200 × 700 cm. Pjöngjang.
Der mittlere Teil dieser gewaltigen Wandmalerei zeigt mehrere Kampfszenen mit versprengten US-Soldaten auf der rechten Seite und siegreichen chinesischen Truppen auf der linken.
Bürger von Goseong, die die Front unterstützen von Chung Chong-yuo. 1958/1961 (retuschiert). Chosonhwa. 154 × 520 cm. Koreanische Kunstgallerie, Pjöngjang.
Das Gemälde zeigt die Einwohner von Goseong, Provinz Gangwon-do, die während eines Schneesturms Munition und Essen an die Front transportieren.
Die im Norden gefertigten Gemälde zum Koreakrieg, der dort als „Krieg zur Befreiung des Vaterlandes“ bekannt ist, unterscheiden sich völlig von denen aus dem Südens. In der nordkoreanischen Kunst werden statt Kampfszenen hauptsächlich heldenhafte Bürger dargestellt, die den nordkoreanischen Volksarmisten zur Seite stehen.
Frauen im Dorf am Fluss Nam-gang von Kim Ui-gwan. 1966. Chosonhwa. 121 × 264 cm. Koreanische Kunstgallerie, Pjöngjang.
Das Gemälde zeigt heldenhafte, bewaffnete Frauen in einem Dorf am Nam-Fluss im Kreis Goseong, die Soldaten verstecken und Vieh hüten, beim Durchqueren des Flusses.
Elend der Flüchtlinge
Niemand hat den Koreakrieg so im Detail festgehalten wie Kim Seong-hwan (1932-2019), der bei Kriegsausbruch die Oberschulabschlussklasse besuchte und zu der Zeit bereits die Comicserie Meongteongguri (Blödmann) in der Zeitung Yeonhap Shinmun veröffentlichte. Als Seoul fiel, versteckte er sich auf dem heimischen Dachboden, um nicht von der nordkoreanischen Volksarmee zwangsrekrutiert zu werden. Er hinterließ an die 110 lebensnahe Aquarellskizzen von Szenen, die er auf der Straße beobachtet hatte. Eins der Werke zeigt südkoreanische Soldaten, die einen sowjetischen T-34 Panzer erbeuteten, um den die Leichen nordkoreanischer Soldaten verstreut liegen.
Im Gegensatz dazu hielten die meisten Künstler im Süden das leidvolle Leben der Flüchtlinge oder das Chaos auf ihren Fluchtrouten fest. Das war nämlich die erdrückend bittere Realität, mit der sie sich als Flüchtlinge selbst tagtäglich konfrontiert sahen. Kim Won (1912-1994), der vor Kriegsbeginn Pjöngjang verlassen hatte und nach Seoul gezogen war, stellt in seinem Werk Der 38. Breitengrad (1953) eine Kolonne von Flüchtlingen dar, die die Trennungslinie zwischen den beiden Koreas überschreiten wollen. Vorne in der Kolonne umklammern einige bitterlich weinend Tote, andere tragen Kinder in den Armen oder auf dem Rücken und versuchen krampfhaft, über den Hügel zu kommen. Das tiefe Dunkelblau des Erdbodens und das Rot des Himmels drücken ihre Verzweiflung und ihr Leid aus, während das leuchtend helle Licht rechts über dem Hügel ihre Hoffnung symbolisiert.
Abstrakt vs. realistisch
Die schrecklichen Erinnerungen an den Krieg wurden auch noch in der Nachkriegszeit, als in der koreanischen Gesellschaft eine gewisse Stabilität eingekehrt war, bildlich zum Audruck gebracht, meist aber metaphorisch oder abstrakt. Der Grund dafür war, dass der in der damaligen Sowjetunion und in Nordkorea vorherrschende sozialistische Realismus in der Kunst allgemein als politisch „verschmutzt“ bzw. stark propagandistisch gefärbt betrachtet wurde.
Dieser Trend war auch global zu erkennen: Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte man sich in der westlichen Kunstwelt vom Realismus ab und legte den Akzent auf abstrakte Kunst. Die realistische Malerei wurde als politisch bzw. linksgerichtet wahrgenommen, einige erkannten ihr sogar jeden künstlerischen Gehalt ab. Auch die koreanischen Künstler der Nachkriegszeit waren bemüht, jede „politische Farbgebung“ zu vermeiden, und drückten ihre Wut über die Wunden, den Schmerz, das Gefühl der Sinnlosigkeit und den Verlust der Familie in abstrakter Form aus. Nam Kwan (1911-1990) hatte auf der Flucht oft Tote gesehen und diese Schreckensbilder des Kriegs brannten sich unauslöschlich in sein Gedächtnis ein. Die verborgenen Erinnerungen kommen durch die düster gefühlsgeladene Stimmung in seinem Werk Spuren der Geschichte (1963) zum Ausdruck. Die Leinwand ist bedeckt mit menschlichen Gestalten, Symbolen und hieroglyphenähnlichen Zeichen, die zu schweben scheinen. Vor einem Hintergrund, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und sich Licht und Schatten überschneiden, bergen diese Formen aus langen und kurzen Strichen tragische Geschichten in sich.
Kunst im Norden
Die im Nachkriegs-Nordkorea angefertigten Gemälde zum Koreakrieg, der dort „Krieg zur Befreiung des Vaterlandes“ genannt wird, unterscheiden sich völlig von denen aus dem Süden. Das liegt daran, dass sich Nordkorea nach Kriegsende am sozialistischen Realismus orientierte. An der Kunsthochschule Pjöngjang war russische Kunst ein Pflichtfach und die Studierenden lernten, wie man heroische Personen dramatisch in Szene setzt.
Unter den nach Nordkorea übergelaufenen Künstlern thematisierte vor allem Lee Quede (1913-1965), der schon im Süden für seine beeindruckende Geschichtsmalerei bekannt gewesen war, den Krieg. Lees repräsentatives Werk Sieg (1958) ist ein Wandgemälde im Sino-Koreanischen Freundschaftsturm, den Nordkorea im Pjöngjanger Stadtbezirk Moranbong errichten ließ, um China für seine Unterstützung im Krieg zu danken und die freundschaftlichen Beziehungen beider Länder zu stärken. In der Mitte des Gemäldes finden sich Szenen verschiedener Schlachten, darunter die Schlacht von Sanggamnyeong, in der die chinesischen Streitkräfte die amerikanischen und südkoreanischen Truppen besiegten; rechts sind die versprengten amerikanischen Soldaten zu sehen, in der oberen Hälfte die siegreichen chinesischen Einheiten.
In der nordkoreanischen Kunst werden jedoch statt Schlachtszenen häufiger heldenhafte Bürger porträtiert, die den nordkoreanischen Soldaten helfen. Der nach Nordkorea übergelaufene Maler Chung Chong-yuo (1914-1984) erhielt bei der Nationalen Kunstausstellung die Goldmedaille für sein Werk Bürger von Goseong, die die Front unterstützen (1961), das die Einwohner von Goseong in der Provinz Gangwon-do darstellt, die während eines Schneesturms Munition und Essen an die Front transportieren. Die Menschen und Tiere bewegen sich gleichsam rhythmisch von rechts nach links und die angedeutet wirkenden Pinselstriche, abgestuften Tuschetöne sowie die perspektivische Anordnung vermitteln ein lebendiges Gefühl von Tiefe und Raum.
Erwähnenswert ist, dass in Nordkorea selbst in den 1950er Jahren noch weit mehr Maler Ölfarben statt asiatische Tusche verwendeten. In den 1960ern wurde dann jedoch die sog. „Joseonhwa“ (koreanische Malerei) gefördert, da der Oberste Führer Kim Il-sung sagte: „Statt der Ölmalerei aus dem Westen ist die einzigartige Joseonhwa, die traditionelle Pinsel und Tusche verwendet, die Kunst des Volkes und sie muss eigenständig weiterentwickelt werden.“ Darüber hinaus wies er darauf hin, dass ein Schwachpunkt der Joseonhwa die mangelnde Farbe sei, und fügte hinzu, Farben seien wichtig, „um den Kampf des Volkes lebendig, prägnant, schön und kraftvoll darzustellen.“ Zu den von dem Staatsgründer ausdrücklich gelobten Werken gehören Frauen im Dorf am Fluss Nam-gang (1966) von Kim Ui-gwan (geb. 1939) und Großvater am Fluss Nakdong-gang (1966) von Ri Chang (geb. 1942). Das Erstere zeigt heldenhafte, mit Gewehren bewaffnete Frauen, die mit Reisgarben beladene Kühe durch eine Furt in einem Dorf den Fluss Nam-gang, Kreis Goseong, führen und nordkoreanische Soldaten verstecken. Das Werk erhielt den ersten Preis bei der Nationalen Kunstausstellung.
Interessant ist allerdings, dass es in der nordkoreanischen Kunst nur wenige Gemälde gibt, die den Koreakrieg thematisieren. Weitaus größer ist die Zahl der Bildnisse, die den von Kim Il-sung geführten anti-japanischen Widerstand verewigen. Das dürfte daran liegen, dass der „Krieg zur Befreiung des Vaterlandes“ ein gescheiterter Feldzug war und der Fokus entsprechend auf die Idolisierung von Kim Il-sungs Kampf gegen Japan gelegt wurde.
Kim YoungnaKunsthistorikerin, Ehrenprofessorin an der Seoul National University