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2024 WINTER

Kim Min-ki: Eine unvergessliche Legende

Kim Min-ki ist eine Legende in Korea: Seine Lieder bezauberten das ganze Land, das von ihm gegründete Hakchon Theatre brachte zahlreiche Schauspiel- und Musikgrößen hervor, und die Inszenierung des Rock-Musicals Linie 1 gilt als ein Meilenstein in der koreanischen Theatergeschichte. Im Sommer 2024 verabschiedete sich Kim Min-ki nun endgültig von der Bühne des Lebens.

Eine Szene aus dem Rockmusical Linie 1 aus dem Jahr 2021. Kim Min-ki brachte das deutsche Musical, das erstmals 1986 am Berliner GRIPS Theater aufgeführt wurde, 1994 nach Korea. Musikalisch neu arrangiert von Jung Jae-il, dem Komponisten des preisgekrönten Films Parasite und der Netflix-Erfolgsserie Squid Game. Dieses Meisterwerk der koreanischen Musicalszene läutete in den 1990er Jahren die Blütezeit kleiner Theaterbühnen ein.
© HAKCHON

Am 21. Juli dieses Jahres verlor Korea mit Kim Min-ki seinen „Bob Dylan“. Kims unverkennbare Stimme ging tief ins Ohr seiner Zuhörer, während seine poetischen Texte die Herzen bewegten. In den 1970er Jahren, als Kim seine ersten Schritte als Sänger machte, wurde Korea noch von einer Militärdiktatur beherrscht. Wirtschaftliches Wachstum galt als höchstes Gut, und Parolen wie „Werdet Stützen der Nation!“ oder „Lernt hart für den Fortschritt des Landes!“ dröhnten unaufhörlich in den Ohren der Jugend. Musik wurde eher als Luxus abgetan.

Doch inmitten dieser düsteren Epoche gab es junge Musiker wie Kim Min-ki, Hahn Dae-soo und Yang Byung-jip, die mit ihren Liedtexten der unterdrückten Gesellschaft den Spiegel vorhielten. Ihre eindringlichen Texte waren schön wie Gedichte, aber gleichzeitig schneidend wie eine Klinge. So begann die Ära der ersten Generation von Singer-Songwritern der modernen koreanischen Folkmusik.

Unter diesen Pionieren stach Kim Min-ki besonders hervor. Er sah in der Natur oder den Tieren, die oft im Alltag übersehen wurden, eine tiefe Quelle für Metaphern, aus der er die Inspiration für seinen Gesang schöpfte. Was er zutage förderte, wurde zu Gedichten und Liedern, die die Gesellschaft in ihrer vollen Tiefe widerspiegelten. Texte und Melodien kommen schlicht und zugänglich daher, lösen bei Zuhörern und denen, die sie singen, aber stets wehmütige Rührung aus.

Kim Min-ki, einer der bedeutendsten Singer-Songwriter Koreas. Seine ikonischen Lieder der 1970er Jahre sind auch heute noch sehr beliebt. Nach seinem Wechsel zum Theater förderte er aktiv die Szene kleiner Bühnenproduktionen.
© HAKCHON

Ein Symbol des Widerstands

Die Massenproteste gegen die Militärregierung im Juni 1987, ein Wendepunkt in der modernen Geschichte Koreas, wurden entfacht durch den Foltertod des Studenten Park Jong-chul während eines Verhörs. In einem Aufschrei der Empörung strömten Menschen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten auf die Straße und sangen mit vereinter Stimme Morgentau (1971), eines der bekanntesten Lieder von Kim Min-ki. Diese Bewegung erkämpfte schließlich die Einführung der Direktwahl des Staatspräsidenten und markierte einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Demokratie. Das Lied gilt bis heute als ein Symbol der Demokratiebewegung Koreas.

Kim Min-ki, geboren 1951, war ursprünglich ein begabter Kunststudent. Schon in der Schulzeit zeigte sich seine Leidenschaft für Pinsel und Farben, und 1969 nahm er ein Malereistudium an der Seoul Nationaluniversität auf. Doch ein improvisiertes Duett mit einem Freund bei einer Begrüßungsfeier für Erstsemestler sorgte auf dem Campus für solch große Begeisterung, dass er den Pinsel niederlegte und sich fortan einer Karriere als Songwriter und Sänger widmete.

1971 erschien sein einziges Studioalbum, schlicht betitelt Kim Min-ki. Mit zehn Liedern wie Morgentau und Freund läutete er die moderne Ära der Singer-Songwriter in Korea ein. Doch die politische Brisanz seiner Lieder bei den demokratischen Protesten in den 1970er Jahren machte ihn zur Zielscheibe der Militärregierung. Nach mehreren Verhören wurde sein Album sogar verboten, und nahezu alle seine Lieder landeten auf der Zensurliste.

Enttäuscht und zermürbt zog sich Kim aus dem akademischen Leben sowie der Musikszene zurück und suchte Arbeit in ländlichen Gegenden, Bergwerken und Fabriken. In dieser Zeit entstand Immergrüner Baum (1979) – ein weiteres Meisterwerk, das ursprünglich als Hochzeitslied für seine Kollegen in einem Nähmaschinenwerk gedacht war. Doch mit Zeilen wie „Mag unser Weg so lang und beschwerlich sein, doch werden wir verständig bis zum siegreichen Ende voranschreiten“ wurde das Stück zur Hymne bei Protesten und Versammlungen. Jahrzehnte später berührte das Lied erneut Millionen, als es 1998 während der Asienkrise eine öffentliche Werbekampagne untermalte, in der die Golferin Pak Se-ri bei einem LPGA-Spiel den Ball mit nackten Füßen aus dem Wasser herausschlug. Die zeitlose Botschaft und Melodie des Liedes, kombiniert mit dieser Szene, erinnerten die Menschen in einer Zeit voller Herausforderungen an den unerschütterlichen Willen und die Hoffnung.

Hinter den Kulissen

Obwohl Kim Min-ki ein begnadeter Musiker war, entschied er sich für ein neues Kapitel, allerdings nicht im Rampenlicht, sondern hinter den Kulissen. 1978 brachte er, unter dem Radar der Behörden, mit Arbeitern und Musikern das Musical Lichter der Fabrik auf die Bühne, dessen Aufnahmen als Bootleg-Kassetten heimlich verbreitet wurden. Das Werk erzählt von einer dramatischen Geschichte – von Unterdrückung, Gewerkschaftsbildung und dem Kampf der Arbeiter. Musikalisch beeindruckte es mit einer einzigartigen Mischung aus u. a. Folk, Jazz, Rock ’n’ Roll und der traditionellen koreanischen Musik Gugak, wobei sowohl westliche als auch koreanische Instrumente zu einem neuartigen Klangbild verschmolzen. Seine Inszenierung lässt sich als Vorläufer von Konzeptalben betrachten – und das noch vor Pink Floyds legendärem The Wall.

Später, im Jahr 1991, eröffnete Kim das Kleintheater Hakchon im berühmten Seouler Universitätsviertel Daehangno, und wagte einen weiteren Wandel zum Theaterleiter und Regisseur. Die kleine Bühne etablierte sich als Zentrum für Live-Auftritte, bevor die Indie-Bewegung der 1990er-Jahre in Hongdae Fuß fasste. Der renommierte, früh verstorbene Singer-Songwriter Kim Kwang-seok, bekannt für seine zahlreichen unvergesslichen Lieder, schrieb hier mit mehr als 1.000 Aufführungen Geschichte. Auch die Musik-Talkshow Noh Young-sim’s Small Concert (1991) trug zum Erfolg des Theaters bei. Dieses intime Format, in dem Musiker in entspannter Atmosphäre auftraten und Gespräche führten, schaffte es dank seiner Popularität schnell ins regelmäßige TV-Programm des Senders KBS. Bekannte Sendungen wie Lee So-ra’s Proposal, Yoon Do-hyun’s Love Letter oder You Hee-yeol’s Sketchbook griffen die Programmidee auf und führen es bis heute fort.

Ein weiteres Meisterwerk von Kim war die Adaption des Rockmusicals Linie 1 des deutschen Dramatikers Volker Ludwig. Mit beißender Satire und scharfem Humor spiegelt das Stück die koreanische Gesellschaft des späten 20. Jhs. wider. Seit der Premiere 1994 wurde das Musical bis 2008 mehr als 4.000 Mal aufgeführt und gilt heute als monumentales Werk des koreanischen Musicals. Ganz im Sinne seines Namens, „Anbaufeld der Reissetzlinge“, wurde das Hakchon Theatre zudem zu einem Sprungbrett für viele spätere Größen der koreanischen Leinwand wie Kim Yoon-seok, Seol Kyung-gu, Cho Seung-woo und Hwang Jung-min.

Das Theaterstück The Boxer, uraufgeführt 2012, erzählt von der unerwarteten Begegnung zwischen einem ehemaligen Boxweltmeister und einem rebellischen Oberschüler. Eine Geschichte von Verbundenheit und Hoffnung, adaptiert von Kim Min-ki nach dem deutschen Stück Das Herz eines Boxers von Lutz Hübner, dem Gewinner des Deutschen Jugendtheaterpreises 1998.
© HAKCHON

Leise und doch gewichtige Schritte

Schon seit seiner Zeit auf dem Land und in den Fabriken war Kim Min-ki bekannt für sein tief empfundenes Mitgefühl für Kinder, sodass es nicht verwundert, dass er ab 2004 schließlich mit der Produktion von Kindertheaterstücken begann. Selbst während seines Kampfes gegen Magenkrebs widmete er sich dem Kinder-Musical Gochujang Tteokbokki (koreanisch für „Reiskuchenwürste in Chilipaste“), das zur letzten Inszenierung seines Theaters wurde. Im März 2024 musste das Hakchon Theatre aber aufgrund chronischer finanzieller Schwierigkeiten und Kims schwindender Gesundheit schließen. Etwa vier Monate später fand auch er seinen ewigen Frieden.

Eine Szene aus dem Kindermusical Gochujang Tteokbokki, einem fröhlichen Jugenddrama über zwei lebhafte junge Brüder. Seit seiner Premiere im Jahr 2008 wurde es mehrfach ausgezeichnet und gilt als Klassiker des koreanischen Kindermusicals.
© HAKCHON

In einer konfuzianisch geprägten Gesellschaft wie Korea war es lange Zeit üblich, Menschen nicht direkt beim Namen, sondern mit einem als „Ho“ bezeichneten Beinamen anzusprechen, eine persönliche Bezeichnung, die für den lockeren Umgang bestimmt war. Diese für die Allgemeinheit kaum noch gebräuchliche Tradition lebt immer noch in den Kreisen der Dichter und Maler der traditionellen Künste weiter. Auch Kim Min-ki gab sich einen Beinamen, „Dwitgeot“, der so viel wie „eine geringfügige Existenz im Hintergrund“ bedeutet. Es war ein Name, der sein Leben treffend zusammenfasste: Er suchte nie das Rampenlicht, sondern widmete sich unermüdlich hinter den Kulissen den Künstlern und seiner Vision einer besseren Welt.

Kim Min-ki, der sich mit seinen Liedern und Bühnenwerken in den Dienst der Geschichte stellte und unerschütterlich für seine Überzeugungen eintrat, bedeutete Berühmtheit wenig. In der heutigen Welt, wo jeder ein großer Star sein möchte und der blendende Glanz der Aufmerksamkeit alles überstrahlt, wo selbst die Kleinsten davon träumen, YouTube-Stars oder Idole zu werden, wirken seine leisen Schritte umso größer und eindringlicher.

Lim Hee-yun Musikkritiker

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