In Seochon gibt es die verschiedensten Ausstellungsräume, von alternativen gemeinnützigen Räumlichkeiten bis hin zu kommerziellen Galerien, wie z. B. die in Tongui-dong und Changseong-dong am Westtor des Palastes Gyeongbok-gung.
Walkie-talkie-shaking war eine der Ausstellungen, die 2022 im Kunst- und Kulturraum BOAN1942 stattfanden. Diese erforschte die Essenz der Kommunikation, indem sie sich von der Eigenschaft der Walkie-Talkies inspirieren ließ. BOAN1942 in Seochon präsentiert seit seiner Eröffnung im Jahr 2007 kreative und experimentelle Werke verschiedener Genres, darunter Fotografie, Malerei, Installationskunst und Videokunst.
© Goh Jeongkyun
In einer ruhigen Gasse in Hyoja-dong in der direkten Nachbarschaft zu der früheren Residenz des Staatspräsidenten Cheong Wa Dae (auch „Blaues Haus“ genannt) zieht ein orangefarbenes Backsteingebäude die Blicke auf sich, das im sinnlichen Kontrast zum hellblauen Himmel steht. Es handelt sich um den komplexen Kulturraum The Reference, den Kim Jeong Eun, CEO des Fotobücher-Verlages IANNBOOKS errichtet hat. Sie wollte eine Kombination von Buchhandlung und Ausstellungsräumlichkeiten schaffen, wie der Name „The Reference“ andeutet. So fungieren hier Unter- und Erdgeschoss als Galerie, der Raum im Stockwerk darüber hingegen als Buchhandlung für Kunstbücher.
Kim hat The Reference 2018 eröffnet, IANNBOOKS allerdings betreibt sie seit 2007 und konnte in Seochon beobachten, wie Orte mit verschiedenen Identitäten entstanden, die das Kunstökosystem belebten.
„Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich den Raum in Hyoja-dong realisiert habe. Im Laufe der Zeit hat sich vieles verändert, aber Seochon ist für mich immer noch ein Dorf, in dem seine Bewohner im Mittelpunkt stehen. In den vielen verwinkelten Gassen verbergen sich Büros von Architekten und Designern, Ausstellungsräume für aufstrebende Künstler oder Künstlerwohnungen. Das ist es, was mir so gut an dem Viertel gefällt, dass es wie eine Gemeinschaft von Schaffenden ist.“
In Seochon haben sich Künstler aus vielen Bereichen überall im Viertel niedergelassen, sodass hier eine Gegend mit einer gut ausgestatteten künstlerischen Infrastruktur entstehen konnte, wie Kim meint.
Die Buchhandlung von The Reference versteht sich als eine Plattform, auf der Menschen visuelle Kunst erleben können. Sie verfügt über eine umfassende Sammlung von Fotobüchern nationaler und internationaler Fotografen sowie Bücher zur Fotografie.
© Choi Tae-won
Repräsentative Persönlichkeiten
„Ich glaube, dass hier der Boden eine besondere Energie ausstrahlt. 2007 entstanden in Tongui-dong und Changseong-dong – als hätten sie sich abgesprochen – etwa zur gleichen Zeit Räumlichkeiten, die Seochon repräsentieren sollten. Ich war damals auf der Suche nach einem Ausstellungsraum und bin auf das Boan Yeogwan gestoßen. Es war eine schicksalhafte Begegnung.“
Der Geschäftsführer von BOAN1942, Choi Sung-woo, plante, als er das Gasthaus Boan Yeogwan und das benachbarte Gebäude kaufte, hier ein neues Gebäude zu errichten. Doch als man die Decke aufriss, da ständig Regen durchsickerte, kam das Giebeldach mit der Texttafel zur Fertigstellung des Gebäudes, auf dem das Datum „3. Mai im Showa-Jahr 17 (1942)“ stand, zum Vorschein. Und durch die Autobiografie Cheonjiyujeong des Dichters Seo Jeong-ju fand man heraus, dass sich dieser als junger Mann hier aufgehalten und zusammen mit anderen Schriftstellern die erste Ausgabe der legendären Literaturzeitschrift Siin Burak (Dichterdorf) herausgegeben hatte.
Das ehemalige Gasthaus Boan Yeogwan wird mittlerweile seit fast 20 Jahren unter dem Namen „BOAN1942“ als multifunktioneller Kulturraum betrieben und hat ein äußerst facettenreiches Angebot zu bieten. Dazu gehören z. B. Ausstellungen visueller Kunst, das seit 2013 durchgeführte Inkubationsprogramm für junge Künstler DoLUCK, das Craft Tea Festival zur Anregung zum Reflektieren des zeitgenössischen Wertes der Teekultur und die Filmausstellung der Kunstmesse Frieze Seoul.
Diverse und flexible Aktivitäten
Die Galerie Factory, 2002 in Palpan-dong eröffnet, wurde 2005 nach Seochon verlegt. 2017 nahm man das 15-jährige Jubiläum zum Anlass, eine neue Betriebsweise einzuführen und die Galerie in Factory2 umzubenennen. Ausgehend von den Themen, mit denen sich die Mitglieder jeweils beschäftigen, werden Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Künstlern, Designern, Architekten, Planern und Musikern erarbeitet und Ausstellungen, Publikationen, Performances und Workshops durchgeführt. Factory2 vereinigt verschiedene Funktionen in sich: Sie ist eine Art Schule, in der Kunstplanung gelehrt und gelernt wird, aber auch ein Geschäft für Editionen von Künstlern verschiedener Genres. Sie stellt außerdem ein Lesesaal zur Verfügung, in dem man gemeinsam Bücher lesen und sich unterhalten kann. Die vielfältigen und flexiblen Aktivitäten der Factory2, die nach Austausch von Wahrnehmungen und Erfahrungen ohne Grenzen streben, erwecken starke Aufmerksamkeit bei den Interessierten und bringen ständige Selbsterneuerung voran.
Im Jahr 2023 veranstaltete Factory 2 die Ausstellung An Angel at My Table. Dieser Ausstellungsort wurde 2005 in Seochon eröffnet und präsentiert atypische Ausstellungen in Zusammenarbeit mit einem breiten Spektrum von Künstlern, darunter Designer, Architekten, Musiker und Tänzer.
Foto: Dain Kim ( Mit freundlicher Genehmigung von Factory2)
Das alternative Kunstraum-Projekt Sarubia Dabang, das 1999 in Insa-dong eröffnet wurde und als Vorreiter solcher Räume gilt, kam 2011 nach Seochon. Danach nahm es verschiedene Änderungen vor. Das Mitgliedschaftsmodell wurde eingeführt, um es ausschließlich mit den freiwilligen Beiträgen der Künstlermitglieder zu finanzieren, und der Name wurde zu Project Space SARUBIA geändert. Bis heute nimmt es als gemeinnütziger Ausstellungsraum, der experimentelle Kunst unterstützt, über 20 Jahre hinweg eine wichtige Rolle bei der Diversifizierung der Kunstlandschaft ein. Die unabhängige Kuratorin Sungah Serena Choo betont, dass SARUBIA „einer der wertvollen unabhängigen Kunsträume ist, die Kunstschaffenden durch Ausstellungen die Möglichkeit bietet, einen Schritt voranzukommen“.
Choo erklärt weiter: „Seit 1999, als die erste Ausstellung von Ham Jin mit seinen humorvollen und zugleich grotesken Skulpturen stattfand, wurden in SARUBIA auch häufig die frühen Werke von heute bedeutenden Künstlern wie MeeNa Park, Donghyun Son, Hannah Woo und Sojung Jun vorgestellt. Besonders gefällt mir der durchdachte Ansatz, wie man die künstlerische Welt derjenigen, die mit traditionellen Medien wie der Malerei arbeiten, in Ausstellungen zur Geltung bringt.“
Galerierundgang
Seochon, das geografisch in der Nähe des „Galerie-Viertels Nr. 1“ Samcheong-dong liegt, beherbergt auch zahlreiche kommerzielle Galerien. Im Gegensatz zu Kunstmuseen oder gemeinnützigen Ausstellungsräumen gestalten diese Galerien aktiv die sich stets weiterentwickelnde Kunstwelt zeitgenössischer Künstler mit. Sie präsentieren ihre Werke in Ausstellungen und unterstützen sie durch den Verkauf ihrer Werke nachhaltig dabei, ihren künstlerischen Tätigkeiten wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu verschaffen.
Zu den ersten Galerien, die sich in Seochon niederließen, gehört die Leeahn Gallery. Leiterin Ahn Hyeryung, die viel Zeit in den Aufbau der Kunstsammlung investiert hatte, kündete den Start der Galerie im Jahr 2007 mit einer Ausstellung anlässlich des 20. Todesjahres von Andy Warhol in der Stadt Daegu an, die als Wiege der modernen Kunst in Korea gilt. 2013 eröffnete die Galerie eine Zweigstelle in Changseong-dong, Seoul und entwickelte sich so von einer regionalen hin zu einer der führenden Galerien Koreas. Ihr Selbstbewusstsein zeigt sich auch durch die Ausrichtung von Einzelausstellungen weltberühmter Künstler wie Alex Katz, Damien Hirst und Elizabeth Peyton, aber auch die von führenden Künstlern Koreas wie Nam June Paik, Lee Kang-soo und Lee Kun-Yong.
Die Ausstellung von Nam June Paik in der Leeahn Gallery, die von Dezember 2020 bis Januar 2021 stattfand, erkundete das breite Spektrum der künstlerischen Welt Paiks. Die Galerie fördert durch kontinuierliche Abhaltung von Ausstellungen renommierter Künstler aus Korea und der ganzen Welt das Verständnis der Menschen für zeitgenössische Kunst.
Foto: Si Woo Lee ( Mit freundlicher Genehmigung der Leeahn Gallery)
Kim Inseon, Leiterin des in 2012 ins Leben gerufene und dann 2019 nach Changseong-dong gezogene Space Willing N Dealing, hat sich aus geografischen Gründen für Seochon entschieden.
„In Bangbae-dong gab es in der Umgebung nicht viele Galerien, sodass sich ein Publikum meistens nur für Veranstaltungen wie Ausstellungseröffnungen oder Performances fand. Doch in Seochon, in der Nähe vom Palast Gyeongbok-gung und Samcheong-dong, gibt es viele Galerien ähnlicher Größe, und wir haben auch an normalen Tagen viele Walk-Ins zu verzeichnen. Die Lage passt besser zu dem letztendlichen Ziel, die Kunstwelt der Künstler einem breiteren Publikum bekannt zu machen.“
Seit 2022 setzt sich Kim aktiv in der Szene der kommerziellen Galerien ein und vertritt exklusiv vielversprechende junge Künstler wie Jinu Nam, Lee Sejun und Chang Sungeun. Die Galerie befindet sich im ersten Stock über dem Erdgeschoss eines Gebäudes am Rande einer sechsspurigen Straße und präsentiert das ganze Jahr über etwa zehn Einzel- und Gruppenausstellungen, die auf experimentelle Weise die Anliegen von Künstlern aus verschiedenen Genres und Karrierestufen thematisieren. Darüber hinaus werden zu jeder Ausstellung Künstlergespräche, in denen die Künstler über ihre Arbeiten sprechen, oder ein Curriculum, das Einblicke in die Ausstellungsplanung und -praxis bietet, organisiert.
Auch für Kim Heejung, CEO von drawingRoom, das 2019 in Yongsan eröffnet wurde und 2022 nach Nuha-dong in Seochon umgzog, ist Seochon ein idealer Standort.
Die Einzelausstellung People Without Umbrellas von Kwon HyeSeong, die diesen März im Space Willing N Dealing stattfand, zeigte eine Verschmelzung östlicher und westlicher Malstile. Space Willing N Dealing entdeckt vielversprechende junge koreanische Künstler und bietet ihnen eine Reihe von Förderprogrammen.
Foto: Han Hwangsu ( Mit freundlicher Genehmigung von Space Willing N Dealing)
„Ein ‚drawing room‘ ist das Empfangszimmer in einem Herrenhaus. Wie der Name schon sagt, wollen wir einen Raum schaffen, in dem Kunst und Alltag koexistieren. Die ruhige Atmosphäre von Seochon, in der Natur und Alltag aufeinandertreffen und ein künstlerisches Leben ermöglichen, passt gut zu der Ausrichtung unserer Galerie. Ich denke, dass dasselbe Gefühl auch viele andere kleine Läden mit individuellem Charakter und eigener Überzeugung motiviert hat, sich in Seochon niederzulassen und dort lange zu bleiben.“
„Wir möchten neue Künstler entdecken, ihre ersten Einzelausstellungen veranstalten und ihnen helfen, in den Kunstmarkt einzutreten“, sagt Kim, die viel Herzblut in das seit der Eröffnung fortlaufende Unterstützungsprogramm für aufstrebende Künstler steckt.
Dank der Bemühungen der Kunsträume ist Seochon zu einem wichtigen Knotenpunkt für die Diversifizierung der koreanischen Kunstszene geworden.
Changseong-dong Laboratory ist eine Galerie, die kulturelle Experimente aus verschiedenen Perspektiven versucht. Geleitet wird es vom Physiker Lee Kie-jin, einem Professor an der Sogang University, der auch als Vater von CL, der Leaderin der Girlgroup 2NE1, bekannt ist.
© Choi Tae-won
An Dong-sun Kunstjournalistin