Die Insel Heuksan-do assoziieren Koreaner gewöhnlich mit „Ort der Verbannung zur Zeit der Könige“.Doch in Wirklichkeit spielte diese am südwestlichen Ende des koreanischen Territoriums gelegeneInsel mit ihren vom Himmel geschenkten natürlichen Gegebenheiten lange Zeit eine wichtige Rolle alsKnotenpunkt des internationalen Seeverkehrs in der nordostasiatischen Region.
Der Hafen des Dorfes Sa-ri wird geschütztvon einer Kette kleiner Inseln, den sog.Sieben-Brüder-Felsen, die als natürlicherDamm fungieren. Dieser Ort diente demGelehrten Jeong Yak-jeon, der die HyeonsanEobo (Enzyklopadie der Fischartenvon Heuksan-do) verfasste, als eine ArtMeeresforschungslabor.
Am 15. Juni 1997 verließ ein Bambus-Floß mit demNamen „Donga-Jijunghae (Ostasiatisches Mittelmeer)”die Küste von Zhejiang im Süden Chinas.Diese Floß-Expedition, die unter Federführung von Prof.Yoon Myung-chul von der Dongguk University zusammenmit koreanischen Meeresforschern und einem chinesischenProfi-Taucher organisiert worden war, zielte daraufab, die „Kunst des Treibens“ auf dem Meer, die die Menschenin alter Zeit angewendet haben dürften, zu testen. Alssich das Floß vom Festland entfernte, wurde es von Meeresströmungenund Südwestwind nach Nordosten getrieben.Auf der Fahrt geriet das Team auch in einen Taifun,aber nach 17 Tagen auf See erreichten es heil die InselHeuksan-do.
Zwischenstation für Wind und Strömungen
Diese Expedition sprengte zwei konventionelle Vorstellungen:Zum einen wurde dadurch bewiesen, dass der Austauschzwischen dem chinesischen Festland und der koreanischenHalbinsel auch ohne die Hilfe der modernen Wissenschaftund lediglich unter Ausnutzung der natürlichenGegebenheiten zustande kommen konnte. Somit wurdeder Zweifel daran, ob die Menschen früher ohne Motorbooteund ordentliche Navigationskenntnisse das Meerüberqueren konnten, ausgeräumt. Zum anderen wurde dievage „Festland“-orientierte Annahme, nach der der Austauschmit China eher über die sicheren Landrouten alsüber gefährliche Seewege stattgefunden haben dürfte,komplett erschüttert. Gestützt wurde dadurch die Hypothese,dass die sog. Dongi-Menschen, zu denen die Vorfahrender Koreaner gehören sollen, ein Ozeanvolk waren, das dasvon China und Korea umgebene „Ostasiatische Mittelmeer“überquerte, mit China, Japan und den weiter südlich gelegenenLändern Handel trieb und sich auch hin und wiederSchlachten auf dem Meer lieferte.
Diese Art von Expedition wurde später noch einmal wiederholt.Die Route des Floßes stimmte dabei weitgehendmit der Südmeeroute überein, einer der alten Korea-China-Routen, die vom 10. bis 14. Jh den Austausch zwischendem koreanischen Goryeo-Reich (918-1392) und dem chinesischenSong-Reich (960-1279) erleichterten. Ein Ausläuferder Kuroshio-Meeresströmung, die vom Norden derPhilippinen in nordöstliche Richtung fließt, führt an Taiwanvorbei, verläuft dann weiter westwärts nach Jeju-do undteilt sich schließlich in zwei Richtungen. Einer der beidenAusläufer fließt erneut westwärts entlang der Westküsteder koreanischen Halbinsel und strömt weiter südwärts umdie Halbinseln Liaodong und Shandong. Nahe der Hangzhou-Bucht biegt dieser Ausläufer wieder nach Nordostenab und führt in Richtung koreanische Halbinsel zurück. DieMenschen aus Goryeo und dem Song-Reich nutzten also diese Strömungund die jahreszeitlichen Winde aus – vom späten Frühling bisAnfang Sommer den Südwestwind und im Oktober und Novemberden Nordwestwind – und verkehrten zwischen China und der koreanischenHalbinsel, um zu fischen und Handel zu treiben.
Das Kapitel Goryeo der Annalen Song Shi (Die Geschichte derSong-Dynastie, 1345) beschreibt diese Route wie folgt:
„Von Dinghai in Mingzhou segelten wir im Wind drei Tage langübers Meer und erreichten nach weiteren fünf Tagen Heuksan unddamit das Territorium von Goryeo. Nachdem wir von Heuksan ausan mehreren kleineren und größeren Inseln und unzähligen Felsenvorbei gesegelt waren, konnten wir die Fahrtgeschwindigkeit erhöhenund erreichten sieben Tage später den Fluss Yeseong-gang.“
Choe Ik-hyeon, einem Hofbeamten der spätenJoseon-Zeit, der wegen seines Widerstandesgegen den Vertrag von Ganghwa (1876) nachHeuksan-do verbannt wurde, wird mit diesemDenkmal im Dorf Cheonchon-ri für seinen Patriotismusund seinen Einsatz für die Bildungder Jugend gedacht. Auf dem Felsen dahinterfindet sich eine Choe zugeschriebene Inschrift,die betont, dass „das Koreanische Reich eineunabhängige Nation mit einer langen undgroßen Geschichte sei“.
Der japanische Mönch Ennin(793-864), der sich zum Studium des Buddhismus nach Tang-Chinabegeben hatte und auf der Heimreise mit einem Handelsschiffdes Silla-Reichs in Heuksan-do Halt machte, schrieb in Nitto GuhoJunrei Koki (Aufzeichnungen einer Pilgerfahrt zur Suche nach derLehre [Buddhas] in Tang-China, 838-847), dass es bereits Mitte des9. Jhs 300 bis 400 Haushalte auf Heuksan-do gegeben hätte. Alsodürften noch mehr Menschen auf der Insel gewohnt haben, nachdemHeuksan-do sich nach dem 10. Jh zu einem Knotenpunkt undeiner Zwischenstation auf der Südmeerroute entwickelt hatte.
Yi Jung-hwan (1690-1756), ein Gelehrter der späten Joseon-Zeit,beschrieb in seinem Geographiebuch Taengniji (Führer durchKorea, 1751) die Küste von Yeongam-gun in der Provinz Jeollanam-doals Ort, von dem die mit Tributgabenfür den Tang-Hof beladenen Schiffein Richtung China ausliefen. Überdie Seeroute nach Mingzhou berichteter dabei: „Von Yeongam gelangtman in einem Tag bis zur Insel Heuksan-do, von der aus man wiederum ineinem Tag die Insel Hong-do und nacheinem weiteren Tag die Insel Gageo-doerreicht. Kann man den Nordostwindausnutzen, braucht man von Yeongamdrei Tage bis Dinghai in Ningpo,Taizhou.“ Diese Route nahm ebenfallsder Gelehrte Choe Chi-won (857-?)aus dem Silla-Reich (57 v. Chr.–935 n.Chr.), der im Alter von elf Jahren zumStudium nach Tang-China aufbrach und sich dort einen Namen alsSchriftsteller machte. Auch der Gelehrte und Joseon-HofbeamteChoe Bu (1454-1504), der Verfasser des Werks Pyohaerok (Aufzeichnungeneiner Odyssee auf dem Meer, 1488), wurde zusammenmit 42 weiteren Passagieren an Bord auf dieser Route an die Küstedes Ming-Reichs gespült, nachdem der Segler vor der Insel Jeju-dovon einem Sturm überrascht und von Wind und Wellen abgetriebenworden war.
Doch obwohl sich Heuksan-do, ein vom Himmel gesegnetes FleckchenErde, lange als Knotenpunkt des internationalen Seeverkehrsbehauptet hatte, assoziieren die meisten Koreaner mit dieser Inselweder Unternehmungsgeist noch Fülle.
Die Schule Sachon, in der Jeong Yak-jeonwährend seines Exils die Dorfkinder unterrichtete,wurde auf einem Hügel des Dorfes Sa-rinachgebaut.
Eine komplizierte Verwicklung von Faktoren wie die Tyrannei der herrschenden Schicht, diekomprimiert als „Korruption der Drei Quellen der Nationalen Finanzen“ beschrieben wird, das harte,leidvolle Leben der Inselbewohner, die am untersten Ende der gesellschaftlichen Strata angesiedeltwaren, sowie die Verehrung und das Mitleid, das sie dem im Exil unter ihnen lebenden aufrichtigenGelehrten entgegenbrachten, führten zur Entstehung der düsteren, traurigen Legende vomSchwarzen Berg.
„Schwarzer Berg“, „Schwarze See“
Viele Koreaner denken zunächst an Exil und Verbannung, wenn sieden Namen „Heuksan-do“ hören. Sogar in Xuanhe fengshi GaoliTujing (Illustrierte Aufzeichnungen der chinesischen Gesandtschaftnach Korea während der Regierungszeit von Xuanhe) von Xu Jing(1091-1153), eines Abgesandten des chinesischen Song-Reichs,ist zu lesen, dass „die meisten Missetäter des Goryeo-Reichs,die zwar schwere Straftaten begangen, aber nicht mit dem Todebestraft wurden, an diesen Ort [nach Heuksan-do] in die Verbannunggeschickt werden“. Die Insel scheint also schon lange als Ortder Verbannung bekannt gewesen zu sein. Doch zumindest in derJoseon-Zeit wurde sie in Bezug auf die Zahl der Verbannten vonden Inseln Jeju-do und Geoje-do übertroffen. Bedenkt man zudem,dass statistisch gesehen zu Beginn der Joseon-Zeit einer von vierBeamten ins Exil geschickt wurde, dürfte die hohe Anzahl von VerbanntenHeuksan-do nicht unbedingt in Verruf gebracht haben. Wiedem auch sein mag: Am stärksten zur Bekanntheit der Insel beigetragenhat der Gelehrte Jeong Yak-jeon (1758-1816), der Anfangdes 19. Jhs nach Heuksan-do ins Exil geschickt wurde.
Die Brüder Jeong Yak-jeon, JeongYak-jong (1760-1801) und Jeong Yakyong(1762-1836) waren intelligentund hochbegabt, sodass sie die Gunstvon König Jeongjo (reg. 1776-1800)erlangten und als Hofbeamten in sei-nen Dienst traten. Die drei konfuzianischen Gelehrten waren auchWissenschaft und Gedankengut aus dem Westen gegenüber aufgeschlossenund nahmen sogar den katholischen Glauben an. Doch1801, ein Jahr nach dem Tod von König Jeongjo, der den katholischenGlauben toleriert hatte, begann die Katholikenverfolgungin Korea. Jeong Yak-jong starb den Märtyrertod, Jeong Yak-jeonund Jeong Yak-yong wurden ins Exil geschickt. Bis zu seinem Todverbrachte Jeong Yak-jeon neun von seinen 16 Exiljahren auf derInsel Ui-do, die damals So-heuksan“ (Kleines Heuksan) genanntwurde, und sieben Jahre auf der Insel Heuksan-do, zu der Zeit als„Dae-heuksan“ (Großes Heuksan) bekannt.
Den Name „Heuksan-do“ evoziert bei den Koreanern gleich mehrerehistorische Szenen und Begebenheiten. Als nach dem Untergangdes Joseon-Reichs das Goryeo-Reich gegründet wurde,zwang die neue Regierung die Bewohner der Insel Heuksan-do zurUmsiedlung nach Yeongsanpo, einem Hafen auf dem südwestlichenFestland in der Provinz Jeollanam-do. Diese im Rahmen dersog. „Leere Insel“-Politik durchgeführte Maßnahme, die mit denhäufigen Angriffen japanischer Piraten begründet wurde, schnittnicht nur Heuksan-do von der Außenwelt ab, sondern führte im 15.Jh auch zum völligen Zusammenbruch des Seehandels in Ostasien.
Damit verschwand Heuksan-do gänzlich hinter den Kulissen derGeschichte. Zu einer Zeit, in der sich die Europäer auf das Zeitalterder Entdeckungen vorbereiteten, schlugen das Joseon-Reich undMing-China ironischerweise erneut den Weg der Abschottung ein.Erst ab dem 17. Jh, also nach der japanischen Imjinwaeran-Invasion(1592-1598), zog die Insel wieder Menschen an. Die zentraleKontrolle des Joseon-Hofs über die ländlichen Regionen war imZuge der verheerenden kriegerischen Auseinandersetzungen mitJapan eindeutig schwächer geworden und Heuksan-do war derideale Zufluchtsort für alle, die nach einem neuen Stück Erde suchten,wo sie Unterschlupf finden und frei von jeder gesellschaftlichenDiskriminierung und Unterdrückung in Freiheit leben konnten.Die Lebensumstände waren zwar hart, doch die Natur behandeltewie schon seit Tausenden von Jahren alle gleich. Bei einerTour über die Insel stößt man überall auf Gedenktafeln mit denNamen der ersten Siedler. Die meisten von ihnen kamen im 17. Jhauf die Insel und hinterließen Nachfahren. Später, zu Beginn des19. Jhs, führte eine komplizierte Verwicklung von Faktoren wie dieTyrannei der herrschenden Schicht, die komprimiert als „Korruptionder Drei Quellen der Nationalen Finanzen“ beschrieben wird,das harte, leidvolle Leben der Inselbewohner, die am unterstenEnde der gesellschaftlichen Strata angesiedelt waren, sowie dieVerehrung und das Mitleid, das sie dem im Exil unter ihnen lebendenaufrichtigen Gelehrten entgegenbrachten, zur Entstehung derdüsteren, traurigen Legende vom Schwarzen Berg. Das ist wohlauch der Grund, warum viele literarische Werke rund um JeongYak-jeon verfasst wurden, der im Exil die Meerestiere in den Inselgewässernerforschte und kategorisierte und seine Erkenntnisse indem meeresbiologischen Werk Hyeonsan Eobo, einer Enzyklopädieder Fischarten von Heuksan-do, der Nachwelt hinterließ.
Im Vorwort der Enzyklopädie schreibt Jeong Yak-jeon: „Da derName ‚Heuksan (黑山)‘ so düster und trostlos klingt, dass er Angsteinflößt, pflegten die Angehörigen meiner Familie für die Inselden freundlicher klingenden Namen ‚Hyeonsan (玆山)‘ zu verwenden.”Im ganzen asiatischen Kulturraum einschließlich Koreaund China steht die Farbe Schwarz für die nördliche Himmelsrichtung.Das mittlere Gebiet der Südmeerroute wird „SchwarzesWasser” genannt, weil das Gebiet aus der Sicht von Südchina imNorden liegt. Auch in Illustrierte Aufzeichnungen der chinesischenGesandtschaft nach Korea während der Regierungszeit von Xuanhevon Xu Jing wird klargestellt: „Das Schwarze Wasser steht fürdas Nördliche Meer.“ Folglich ist „Heuk-san“ (Schwarzer Berg) einim Norden gelegener Berg, und „Kuroshio“ eine Meeresströmung,die in Richtung Nordosten an Japan vorbeifließt; in chinesischenSchriftzeichen „Heuk-jo (黑潮)“ (Schwarze Strömung). Neben derBedeutung „schwarz“ hat das chinesische Schriftzeichen „黑“ (imKoreanischen „heuk“ gelesen, „hei“ auf Chinesisch und „kuro“auf Japanisch) negative Konnotationen wie „düster“ oder „falsch“.Daher ist es einsichtig, dass die Briefeschreiber „黑 (heuk)“ durch„玆 (hyeon)“ ersetzten, ein Zeichen, das neben „schwarz“ auch„fern“, „weit weg“ bzw. „tiefgreifend“ bedeuten kann. Diese Assoziationenin Verbindung mit Heuksan-do scheinen individueller Naturzu sein, haben aber zugleich auchuniverselle, persönliche sowie gesellschaftlicheAspekte. In diesem Sinnespiegeln sie die Wünsche und Haltungder heutigen Koreaner gegenüberdem Leben wider.
Die Insel Heuksan-do, die vonder Nachbarinsel Jang-doaus zu sehen ist, ist in Nebelschleiergehüllt.
Muschelabfallhaufen und Dolmen
Wann siedelten die ersten Menschenauf Heuksan-do? Warum kamen sieauf die Insel? Solche Fragen gehen weit hinaus über die verstaubtenVorstellungen von historischen Zeitaltern, die in den wenigenschriftlich überlieferten Aufzeichnungen einer Handvoll von Menschenhinterlassen wurden. Laut Wissenschaftlern bildeten sichdie heutigen Klimabedingungen heraus, als vor rund 25.000 Jahrendie Würm-Kaltzeit, die letzte Eiszeit, endete und die Erwärmungbegann. Zu der Zeit hatte die Gletscherschmelze noch nicht begonnen,sodass der Meeresspiegel ca. 140 m niedriger als heute lag.Stellen wir uns einmal die Küstenlinie von Heuksan-do zu dieserZeit vor: Das Heuksan-Archipel, das aus 296 bewohnten und unbewohntenInseln besteht, dürfte eine einzige Landmasse gewesensein, und die koreanische Halbinsel wird an das chinesische Festlandsowie an die Inseln Japans angegrenzt haben. Das mildergewordene Klima wird die Menschen an die Küste gezogen haben,wo sie dann vom Fischfang lebten. Die Abenteuerlustigeren werdenden Walen, den wertvollsten Nahrungsmittelslieferanten, gefolgtsein. Einige werden Reiskörner dabeigehabt haben. Mit der Agrar-kultur stehen die Dolmen in engem Zusammenhang. In Ostasienweisen die Dolmenstätten eine ringförmige Verbreitung auf: Sieerstrecken sich über die Provinz Zhejiang und die Halbinseln Liaodongund Shandong in China sowie entlang der koreanischen Westküste.Anschauliche Beweise dafür sind der Muschelabfallhaufen,der nicht weit entfernt vom Passagierfähren-Terminal von Heuksan-do in Ye-ri entdeckt wurde, sowie die etwas oberhalb davonbefindlichen Dolmen südlichen Stils, die in einer Reihe auf demHügel in Jin-ri stehen. Erst vor 4.000 Jahren hat der Meeresspiegelsein heutiges Niveau erreicht.
Eine dreistöckige Pagodeund eine Steinlaterne aufdem Geländes des Musim-saMeditationszentrums belegen,dass der Tempel im 9.Jh gebaut und bis ins 14. Jhbetrieben wurde.
Das Gebiet des heutigen Heuksan-Hafens könnte in den letzten4.000 Jahren als Bootsanlegestelle gedient haben. Doch kehrenwir in die schriftlich belegte Geschichte zurück. In einer etwa 1.000Jahre alten Aufzeichnung ist nachzulesen: „Heuksan [SchwarzerBerg] befindet sich südöstlich von Baeksan [Weißer Berg]. Beideliegen einander nahe gegenüber. Auf den ersten Blick erscheintHeuksan sehr hoch und steil, aber aus er Nähe betrachtet ist zuerkennen, dass sich ein Gipfel dicht über dem anderen erhebt. Inder Mitte der kleinen Gipfelerhebung auf der Vorderseite gibt eseine Aushöhlung, eine Art geheime Höhle, groß genug, um einSchiff dort zu verstecken.“ – Auszug aus Xuanhe fengshi GaoliTujing . Der Name „Jin (dt.: Stützpunkt)“ des Dorfes Jin-ri, in demdie Dolmen stehen, leitet sich davon ab, dass sich im Dorf ein Flottenstützpunktbefand. Wie aus dem Zitat zu ersehen, verfügte derHafen Heuksan über hervorragende natürliche Bedingungen. Erdient auch heute noch als Stützpunkt und Versorgungsstation fürdie Fischereiindustrie, ist Rastplatz und Zufluchtsort vor Wind undWetter. Von April bis Oktober strömen die Fischerboote aus demUmkreis hierher und ein großer Fischmarkt öffnet seine Tore. Erist wiewohl nicht so groß wie der auf dem offenen Meer abgehalteneFischmarkt Pasi, der bis in die 1970er Jahre florierte. Fische wieJackmakrelen, Makrelen, Gelbfische, Haie, Degenfische und Raurücken-Nagelrochen werden in großen Mengen gefangen.
Eine Gruppe von Dolmen inJin-ri weist darauf hin, dassdie Insel bereits vor demBronzezeitalter bewohnt war.
Landrouten, Himmelsrouten
Die 25,4 km lange Küstenstraße, die um die Insel Heuksan-doherumläuft, wurde erst vor 16 Jahren angelegt. Wegen der tiefenBerge und dichten Wälder dauerte es 26 Jahre bis zur Fertigstellung.Jedes Dorf auf der Insel hat eine eigene Anlegestelle,denn die Seewege sind viel schneller und sicherer als das Überland-Straßennetz. Fährt man vom Dorf Jin-ri, am heiligen BergDang-san vorbei und biegt dann links in die Küstenstraße ein,kommt man zur historischen Stätte eines Gasthauses für ausländischeGesandte und eines buddhistischen Zen-Zentrumsdes Tempels Musim-sa. Die jüngste geophysikalische Prospektionidentifizierte den ehemaligen Standort des Gasthauses, dessenExistenz nur schriftlich überliefert war; die Steinpagode und-laterne sprachen zwar für eine Tempelanlage, doch die Entdeckungeines Stücks von einem konvexen männlichen Dachziegelmit der Beschriftung „Musim-sa Seonwon“ bestätigte schließlichden Namen des Tempels. Hier werden Menschen in alter Zeit fürSicherheit und Wohl derjenigen, die übers Meer fuhren gebetethaben. Läuft man den sich den Berg hochwindenden Weg hoch,kommt man vorbei an der Festung Banwol-seong in den BergenSangna-san, die Jang Bo-go (?-846), der „König des Meereshandels“,Anfang des 9. Jhs errichtet haben soll, um Angriffe aus demAusland abzuwehren. Auf der Bergspitze befinden sich eine Signalfeuer-Anlage und eine Ritualstätte. All diese Relikte sind Spurender maritimen Kultur, die bestätigen, dass die Insel Heuksan-do einwichtiger Stützpunkt des Seehandels war.
Auf dem Weg zum Dorf Sari, in dem Jeong Yak-jeon die DorfschuleSachon Seodang zur Unterrichtung der Dorfkinder eingerichtethaben soll, versperrt eine sich lang erstreckende Insel hartnäckigden Blick aufs Meer. Es ist die Insel Jang-do. Dort befindet sich inGipfelhöhe ein Hochmoor mit Torflagerstätten, was für eine Inselungewöhnlich ist. Das Hochmoor versorgt nicht nur die Inselbewohnermit sauberem Trinkwasser, sondern bietet auch einenLebensraum für rund 500 Arten von Lebewesen. Es gab einmalPläne, das Feuchtgebiet in eine Farm zu verwandeln, doch die Dorfbewohnerkauften es auf, um es zu erhalten. 2005 wurde sein ökologischerWert anerkannt und es wurde in die Ramsar-Liste aufgenommen.
Nachdem die Regierung Anfang 2016 erklärt hatte, auf Heuksan-doeinen kleinen Flughafen mit einer Piste von 1,2 km Länge bauen zuwollen, sollen die Grundstückspreise ins Wanken gekommen sein.Falls das Flughafen wie geplant bis 2020 fertig gestellt sein sollte,könnte ein Propellerflugzeug die Insel von Seoul aus in einer Stundeerreichen. Der Tag, an dem frischgebackene Ehepaare im Flugzeugbeim Anblick des Heuksan-Archipels zur ihren Füßen in Freudenschreieausbrechen, scheint also nicht mehr so fern zu sein.