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2018 AUTUMN

SPEZIAL

Präludium zum Frieden: Innerkoreanische Entspannung in der Populärkultur SPEZIAL 1Nord-Süd-Beziehung im Spiegel der Filmkultur

Seit dem Waffenstillstandsabkommen, mit dem vor 65 Jahren der Koreakrieg ein Ende fand, unterliegt die Nordkorea-Politik der südkoreanischen Regierung ständigen Schwankungen. Nichts reflektiert diese anhaltenden Neukalibrierungen augenfälliger - und manchmal auch vorausschauender - als die Populärkultur, insbesondere der Film.

Shiri (1999), unter der Regie von Kang Je-gyu

Secretly Greatly (2013), unter der Regie von Jang Cheol-soo

Joint Security Area (2000), unter der Regie von Park Chan-wook

Taegukgi: The Brotherhood of War (2004), unter der Regie von Kang Je-gyu

Welcome to Dongmakgol (2005), unter der Regie von Park Kwang-hyun

The Berlin File (2012), unter der Regie von Ryoo Seung-hwan

Agenten aus dem Süden und dem Norden lassen ideologische Differenzen hinter sich und verbünden sich, um inmitten eines Umsturzversuchs in Nordkorea einen Atomkrieg zu verhindern.

„Die Geschichte des koreanischen Films lässt sich in die Jahre vor und nach dem Erscheinen von Shiri unterteilen.“ Dieser Satz beschreibt die Sensation, die diese erste, unter der Regie von Kang Je-gyu 1999 veröffentlichte koreanische Megaproduktion hervorrief. Der Blockbuster lockte landesweit 5,82 Mio. Zuschauer ins Kino, allein in Seoul waren es 2,45 Mio. Bis dahin war Im Kwon-taeks Musikdrama Seopyonje über den epischen Sologesang Pansori der einzige Film, der in Seoul die Eine-Million-Marke durchbrochen hatte.
Doch was machte Shiri zu einem Kassenschlager? Schlicht und einfach formuliert: Der kühne Einbezug der sich verändernden Nord-Süd-Beziehung.

Neues Thema, neue Sichtweise
Shiri (auch als Swiri transkribiert) bezeichnet einen Fisch, der in den Süßwasser-Gewässern, die die beiden Koreas verbinden, lebt. Der Film ist ein Action-Thriller über die Jagd nach nordkoreanischen Schläfer-Agenten, die Südkorea seit sechs Jahren terrorisieren. Formidabelstes Teammitglied ist eine getarnte Profi-Killerin, die sich in ihren Hauptgegenspieler verliebt.
Auf dem Höhepunkt des Films betreiben Nord und Süd Sportdiplomatie in Form eines Fußballspiels, bei dem die Staatsoberhäupter beider Koreas anwesend sind. Die Schläfer, die die Versöhnungsstimmung zerstören wollen, versuchen das Stadion in die Luft zu sprengen. Die Hartnäckigkeit, mit der sie ihren Auftrag, einen Umsturz im Süden zu bewirken, verfolgen, steht für die anhaltenden Spannungen und Feindseligkeiten auf der koreanischen Halbinsel. Der Film endet mit einer tödlichen Schießerei, aber inmitten all des Blutvergießens siegt die Liebe zwischen der Attentäterin und ihrem getäuschten Kontrahenten, was das Publikum mitfühlen lässt. Der Film spiegelt gekonnt den Stimmungswandel der Zeit wider: Die Nordkoreaner sind nicht länger Feinde aus der Zeit des Antikommunismus, sondern Landsleute.
Der Traum vom Ende des Kalten Krieges nahm im darauf folgenden Jahr noch konkretere Gestalt an, als der südkoreanische Präsident Kim Dae-jung auf Einladung des nordkoreanischen Staats- chefs Kim Jong-il zum ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen (13. 6. 2000) in den Norden reiste. Diese Begegnung bewirkte ein Tauwetter auf diplomatischer und politischer Ebene.
Der Riesenerfolg von JSA (2000) (kurz für „Joint Security Area“) von Park Chan-wook, der allein in Seoul ca. 2,51 Mio. Zuschauer ins Kino lockte, dürfte ebenfalls dem Gipfeltreffen zu verdanken sein. Im Film kommt es zu einer Schießerei in der stets spannungsgeladenen gemeinsamen Sicherheitszone Panmunjom (auch: JSA). Die Ermittlungen bringen die schockierende Tatsache ans Licht, dass die Wachsoldaten beider Seiten heimlich miteinander kommunizierten und es zu freundschaftlichen Begegnungen kam.
Zwar hatte sich nach der Demokratisierungsbewegung vom Juni 1987 und dem Antritt der ersten zivilen Regierung 1993 die Stimmung in Südkorea geändert, aber es gab dennoch keine spürbare Veränderung in der Haltung gegenüber Nordkorea. Die Konservativen befürworteten nach wie vor eine harte Linie, während die Liberalen für den Aufbau von Kooperation und Vertrauen eintraten. Mit dem 1948 erlassenen Nationalen Sicherheitsgesetz im Hinterkopf praktizierte die Kunst- und Unterhaltungsindustrie weiterhin Selbstzensur. So thematisierte Shiri z.B. die innerkoreanische Problematik auf dem Umweg der Verknüpfung von Action-Spionage-Genre mit Liebesgeschichte. Die offene Darstellung der Kameradschaft zwischen den Soldaten aus Nord und Süd in JSA war daher umso sensationeller. Regisseur Park Chan-wook sagte, dass er „sogar mit Festnahme gerechnet“ hatte. Glücklicherweise kam noch vor der Premiere auf dramatischem Wege das innerkoreanische Gipfeltreffen zustande, sodass der Film umso mehr begeisterte.

Vor der Landung bei Incheon, einem amphibischen Angriff der UNO-Truppen im September 1950, der dem Koreakrieg eine entscheidende Wende gab, sammelt ein Agententeam Nachrichten über die nordkoreanische Verteidigung.

Dieser auf wahrhaften Begebenheiten basierender Film erzählt die Geschichte einer Einheit von gesellschaftlich Geächteten, die für einen Anschlag auf den damaligen nordkoreanischen Führer ausgebildet wurden. Es war der erste koreanische Film, der mehr als 10 Mio. Zuschauer anzog.

Erweiterung des Genres
Nach der Millenniumwende wandten sich die koreanischen Filmstudios für weitere Blockbuster-Produktionen dem Korea- krieg zu. Der Fokus wechselte von antikommunistischen Sticheleien und Demonstration der Schlagkraft zu den Gefühlen der Charaktere, zu Ideen und Beziehungen. Es folgten eine Reihe von Kassenschlagern. Politische Kulisse bildete die Regierung von Präsident Roh Moo-hyun, eines liberalen Politikers, der die „Sonnenscheinpolitik“ von Kooperation und Versöhnung seines Vorgängers Kim Dae-jung fortsetzte.
2003 zog Silmido von Kang Woo-seok 11 Mio. Zuschauer an und läutete damit für die aufblühende koreanische Filmindus- trie die Ära der „Zehnmillionen-Seller“ ein. Der auf realen Begebenheiten basierende und von der Kritik gefeierte Film thematisierte die in der Frage der Handhabung der innerkoreanischen Beziehungen bestehende Spaltung.
Im April 1968 wurde eine Einheit aus gesellschaftlich Geächteten, darunter Kriminellen, gegründet, die einen Anschlag auf den nordkoreanischen Machthaber Kim Il-sung unternehmen sollte.

Es sollte die Antwort auf ein im Jahr davor von Nordkorea unternommenes Attentat auf den südkoreanischen Präsidenten Park Chung-hee sein. Das als „Einheit 684“ operierende Kommando unterzog sich auf der Incheon vorgelagerten Insel Silmi-do eines brutalen Trainings. Der Einsatz wurde dann aber im Zuge der Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen abgeblasen. Im August 1971 tötete die Eliteeinheit ihre Wächter, floh und kidnappte einen Bus nach Seoul. Die meisten kamen bei einem Gefecht mit Armeesoldaten ums Leben. Silmido porträtiert die Eliteeinheit-Mitglieder als Spielball der innerhalb der Regierung herrschenden scharfen Meinungsunterschiede in Bezug auf die Nordkorea-Politik und ihren Tod als Teil einer Vertuschungsaktion. Bevor der Film in die Kinos kam, wusste die Öffentlichkeit nichts von der Existenz einer Einheit 684.
2004 brach TaeGukGi: The Brotherhood of War unter der Regie von Kang Je-gyu mit fast 12 Mio. Besuchern den Rekord von Silmido. Am Schicksal zweier Brüder wird die Zerstörung einer Familie durch den Koreakrieg thematisiert. Verhärtet und desillusioniert schließt sich der Ältere der nordkoreanischen Armee an. Die Brüder, die sich aus den Augen verloren haben, stehen sich - einander nicht erkennend - schließlich mit gezückten Waffen gegenüber. Im Gegensatz zu Filmen aus antikommunistischen Zeiten, in denen nordkoreanische Soldaten immer als „Rote“ dargestellt wurden, zeichnet dieser Film sie einfach nur als junge Männer, ja, als Brüder. Die Botschaft kam beim Publikum gut an.
Park Kwang-hyun lockte mit seiner humanistischen Herangehensweise an das Thema Krieg in Welcome to Dongmakgol (2005) ca. 6,4 Mio. Zuschauer an. Als Filmkulisse dient Dongmakgol, ein so abgelegener Bergweiler, dass die Bewohner nicht einmal wissen, dass Krieg herrscht. Hierhin verirren sich Soldaten aus Süd- und Nordkorea sowie ein US-Pilot. Nachdem sie aus Versehen den Wintervorrat der Dörfler zerstört haben, sehen sie sich gezwungen, den Dörflern zu helfen, den Winter zu überleben. Dabei schwindet der gegenseitige Hass, sie behandeln einander nicht länger als Feinde, sondern als Freunde. Der Film, der für seine Thematik und Originalität gelobt wurde, bewies, dass selbst die ins Komische gehende Darstellunsgweise einer traumatischen Thematik die Zuschauer begeistern kann und brach damit ein Tabu.

Kommerzialisierungswelle
Ein Sprung ins Jahr 2010: Unter dem konservativen Präsidenten Lee Myung-bak wandelte sich das politische Klima erneut. Lee vertrat eine harte Linie gegenüber Nordkorea, das auch während der liberalen Vorgängerregierungen von Kim Dae-jung und Roh Moo-hyun sein Atomwaffenprogramm fortgesetzt hatte. Die „Sonnenscheinpolitik“ wurde ad acta gelegt. Filme über die beiden Koreas zielten insgesamt weniger auf eine ideologische oder philosophische Stellungnahme in Richtung Aussöhnung ab. Der kommerzielle Erfolg hatte Vorrang.
A Better Tomorrow (2010) von Song Hae-sung lehnte sich an den gleichnamigen, unter der Regie von John Woo gedrehten Hongkong-Klassiker von 1986 an. Die koreanische Neuverfilmung trug den Titel „Mujeokja“, was sowohl „ein Unschlagbarer“ als auch „ein Heimatloser“ bedeuten kann. Der Gangsterfilm spielt mit dem Vorurteil und der Fantasie, dass „alle nordkoreanischen Flüchtlinge Tötungsmaschinen“ seien.
Höhepunkt der Kommerzialisierungswelle war 71: Into The Fire (2010) von Lee Jae-han. Thematisiert wird die Schlacht am Fluss Nakdong-gang, eine der blutigsten Schlachten des Koreakrieges und beliebtes Thema alter antikommunistischer Streifen. Der Film richtete sich aber weniger gegen Kommunismus oder Krieg, sondern war vielmehr ein waschechtes, kommerzielles Kriegsspektakel.
Das einzige Werk, das sich während Lees Amtszeit (2008-2013) vergleichsweise ernsthaft mit der innerkoreanischen Problematik beschäftigte, war The Front Line (2011) von Jang Hoon. Der Film brachte Sinnlosigkeit des Krieges anhand der jeweils nur von kurzzeitigem Erfolg gekrönten Angriffe und Gegenangriffe zur Eroberung bzw. Rückeroberung eines Plateaus an der Front zum Ausdruck.
Geheimagenten waren die Stars der 2013 erschienenen Filme mit Nordkorea-Bezug. Es war das erste Regierungsjahr von Präsidentin Park Geun-hye, ebenfalls aus dem konservativen Lager. Eine weichere Nordkorea-Linie war nicht zu erwarten von der Tochter von Park Chung-hee, der Südkorea zu den Hochzeiten des Kalten Krieges regiert hatte.
Danach trug die Kommerzialisierungswelle endlich Früchte: 2013 kamen The Berlin File von Ryoo Seung-wan und Secretly, Greatlyvon Jang Cheol-soo ins Kino, die jeweils 7,2 Mio. bzw. 6,97 Mio. Kinobesucher anlockten. Ihr Kassenerfolg ist der getreuen Einhaltung der Genrefilm-Formel zu verdanken. The Berlin File handelt von einer Kraftprobe zwischen nordkoreanischen Spionen und südkoreanischen Agenten in Berlin. Secretly, Greatly ist eine Komödie rund um „attraktive Spione“, die, vom nordkoreanischen Regime im Stich gelassen, im Süden zu Superhelden werden. Der auf einem erfolgreichen Webtoon basierende Film wurde zum Kassenschlager.
Die ältere Generation assoziiert nordkoreanische Geheimagenten noch mit echten bewaffneten Spionen wie dem 1968 bei einem Attentatversuch festgenommenen Kim Shin-jo. Secretly, Greatly beweist, wie stark sich die Wahrnehmung der jungen Generation verändert hat: Junge Südkoreaner können sich nordkoreanische Spione als attraktive Herzensbrecher vorstellen.
Die danach veröffentlichten Filme zu den innerkoreanischen Beziehungen blieben kommerzorientiert und folgten Komödie-, Kriminal- oder Thrillerfilm-Blaupausen. Und alle porträtierten nordkoreanische Soldaten als „Killermaschinen“. Beachtenswert ist jedoch ein konservativer, wenn auch nicht offen, antikommunistischer Touch. Zu nennen sind Filme wie Northern Limit Line (2015) und Battle for Incheon: Operation Chromite (2016).

Dieser vergleichsweise einsichtsreiche, unter der rechtskonservativen Regierung von Lee Myung-bak gedrehte Film thematisiert Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges anhand der letzten Schlacht vor dem Waffenstillstandsabkommen.

Anhand des Seesgefechts, das sich Nord- und Südkorea im Juni 2002 an der De-facto-Grenze zwischen beiden Ländern lieferten, beleuchtet dieser Film die Hardliner-Positionen von Konservativen.

Northern Limit Line, der 6 Mio. Zuschauer anlockte, basiert auf einem Seegefecht zwischen Nord- und Südkorea, zu dem es im Juni 2001 vor der Insel Yeonpyeong-do im Westmeer kam. Bereits im Vorfeld der Produktion gab es eine Kontroverse über eine mögliche Einflussnahme vonseiten der konservativen Regierung und eine entsprechend ausgerichtete Darstellung. Das Ergebnis zeigte jedoch, dass letztendlich auch Ideologie kommerzialisiert werden kann: Soldaten strömten gruppenweise in die Kinos, sodass der Film, der zunächst auf 667 Leinwänden zu sehen war, fünf Tage später bereits auf 1.013 lief, was wiederum zur Kritik führte, der Film monopolisiere die Kinoleinwände.
Auch der Kommerzstreifen Battle of Incheon machte sich den Konflikt zwischen Konservativen und Liberalen zunnutze. Der Produktionsleiter kommentierte: „Ich habe den Film gemacht, damit sich die Bürger geistig wappnen und sich der Frage der nationalen Sicherheit bewusst sind“. Damit rückte er zwar die Ideologie in den Vordergrund, letztendlich war der Film aber v.a. ein typisches Kriegsspektakel auf Basis der historischen Landung der US-Truppen in Incheon während des Koreakriegs. In einer Szene richtet ein als Verkörperung des Bösen porträtierter nordkoreanischer Offizier mit den Worten „Ideologie ist dicker als Blut“ die Waffe auf politisch andersdenkende Familienmitglieder. US-General Douglas MacArthur wird hingegen geradezu vergöttert. Der Fokus liegt weniger auf dem Elend des Krieges als auf der Katharsis der Sieger. Dank der spektakulären Kriegsdarstellungen und der Kommerzialisierung der Ideologie lockte der Film 7 Mio. Zuschauer ins Kino.

Fantasie vs. Realität
The Fortress (2017) von Hwang Dong-hyeok behandelt zwar ein historisches Ereignis während der Zweiten Mandschu-Invasion 1636, doch angesichts der sich zum Zeitpunkt der Premiere verschärfenden Spannungen wegen Nordkoreas Atomwaffentests unterstrich der Historienfilm, der die polarisierte Stimmung zur Joseon-Zeit beschreibt, die aktuelle Angst 2017. Als die Regierung von Joseon-König Injo (reg. 1623-1649) in der von den chinesischen Qing-Invasoren belagerten Fliehburg Namhansan-seong festsaß, entspann sich eine hitzige Debatte zwischen den Hofbeamten Kim Sang-heon und Choi Myung-gil. Kulturminister Kim plädiert für bewaffneten Widerstand: „Auch wenn wir dabei unser Leben aufs Spiel setzen, ist das besser, als in Schande weiterzuleben“. Innenminister Choi erwidert darauf: „Auftrag und Gebot gibt es auch nur, wenn wir leben.“ Diese Argumente spiegeln die gegensätzlichen Meinungen von Konservativen (Stärkung der Verteidigungskraft) und Liberalen (Anstreben einer diplomatischen Lösung) in Bezug auf die innerkoreanischen Beziehungen wider. Die Tatsache, dass der Film in der Realität solche Diskussionen entfachte, zeigt, was für ein heißes Eisen die Nuklear-Problematik war.
Ende 2017, nachdem Präsidentin Park Geun-hye Monate zuvor wegen Korruptionsvorwürfen ihres Amtes enthoben und der Liberale Moon Jae-in als neues Staatsoberhaupt vereidigt worden war, kam Steel Rain von Yang Woo-seok heraus. In Hoffnung auf ein Tauwetter in den innerkoreanischen Beziehungen strömten ca. 4,45 Mio. Zuschauer ins Kino. Die Protagonisten des Films sind zwei Agenten aus Süd- bzw. Nordkorea, denen bewusst wird, dass die Tragödie eines Nuklearkriegs nicht durch die Drohungen des Feindstaates verursacht wird, sondern durch die Ambitionen einiger Machthungriger, die die nationale Teilung für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Sie lassen Ideologie Ideologie sein und verbünden sich, um einen Atomkrieg zu verhindern. Das Publikum war stärker von der „Waffe“ tiefer Menschlichkeit begeistert als von den spektakulären Filmszenen im Vorfeld eines Atomkriegs.
Verfolgt man die filmische Thematisierung der innerkoreanischen Beziehungen, lässt sich eine gewisse inhaltliche Justierung gemäß der von der jeweiligen amtierenden Regierung verfolgten Nordkoreapolitik feststellen. Die Darstellung von Konfrontation und Kooperation spiegelt die Handhabung der Nordkorea-Problematik durch die einander ablösenden konservativen bzw. liberalen Regierungen wider. Umgekehrt beeinflussen die auf der Leinwand vertretenen Ansichten und Werte die Haltung der Allgemeinheit gegenüber Nordkorea und Nordkorea-Politik. Zurzeit stehen die Zeichen auf Versöhnung und Dialog.



Nordkoreanische Flüchtlinge in Independent-Filmen

Der Vorzug eines Independent-Films besteht darin, Themen, die in kommerziellen Filmen ausgespart werden, ehrlich anzusprechen. Eine Handvoll Indie-Filme über nordkoreanischeFlüchtlinge beschäftigt sich mit Problemen, mit denen sie sich bei ihrer Integration in die kapitalistisch geprägte südkoreanische Gesellschaft konfrontiert sehen.

Dieser Film stellt die Realitäten gegenüber, mit denen sich zwei Frauen – eine aus Nordkorea Geflüchtete und eine Südkoreanerin, die unter den patriarchalischen Strukturen leidet – konfrontiert sehen.

Der Ende 2017 veröffentlichte Indie-Film The Namesake handelt von zwei Frauen mit demselben Vornamen, der aber aufgrund der dialektalen Unterschiede in Nord- und Südkorea anders geschrieben und ausgesprochen wird. Protagonistinnen sind die Nordkoreanerin „Ryeon-hui“ und die Südkoreanerin „Yeon-hui“. Ryeon-hui ist eine verwundete Seele. Sie flüchtete aus Nordkorea, um ihrer kranken Tochter die Möglichkeit einer Operation im Südkorea zu verschaffen, verlor das Kind dann aber beim Überqueren eines Flusses. In Südkorea schlägt sie sich mehr schlecht als recht mit einem Teilzeitjob in einem 24-Stunden-Laden durch, wo sie von Kunden und Mitarbeitern herablassend behandelt wird - eine durchaus typische Erfahrung, die nordkoreanische Flüchtlinge im Süden machen müssen. Auch Yeon-hui hat es nicht einfach. Sie hat ebenfalls eine Flucht hinter sich, nämlich die Flucht vor einem gewalttätigen Vater. Zudem ist sie schwanger, weiß aber nicht, von wem.
Das Filmposter mit dem Text „Eine Frau, die von zu Hause geflüchtet ist; eine Frau, die aus der Heimat geflüchtet ist“ vergleicht das Schicksal nordkoreanischer Flüchtlinge mit dem Schicksal von südkoreanischen Frauen in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Ryeon-hui erwischt Yeon-hui im Laden beim Stehlen eines Gimbap-Reisdreiecks. Aus dieser ersten Begegnung kurz vor Yeon-huis Niederkunft entwickelt sich eine Freundschaft, die Ryeon-hui allmählich dabei hilft, sich von der alptraumhaften Erinnerung an den Verlust des eigenen Kindes zu befreien. Der Film zeigt, wie zwei Frauen, die sich in einer unterschiedlichen Art der gesellschaftlichen Isolierung befinden, einander kennenlernen und freundschaftliche Bande knüpfen, die sie ihre Probleme gemeinsam bewältigen lassen. Durch die Begegnung dieser beiden Frauen verbindet der Film die weltweit aktuelle Gender-Thematik mit der Frage der nordkoreanischen Flüchtlinge.

Myunghee , eine weitere Indie-Produktion, die 2014 mit ihrer Listung fürs Mise En Scène Short Film Festival in Korea für Furore sorgte, verfolgt einen anderen Ansatz: Der Film beleuchtet das Alltagsleben eines nordkoreanischen Flüchtlings im Dokumentarstil. Während fast alle „Flüchtlingsfilme“ die harte und tragische Flucht in den Süden nachzeichnen, verlässt dieser Film die ausgetretenen Pfade und beschreibt einfach den Alltag einer Frau, die nach der Flucht ihren Platz in der südkoreanischen Gesellschaft gefunden hat.
Der Film beginnt mit einer alltäglichen Szene an einem alltäglichen Ort: einem Quigong-Zentrum. Myunghee, von einer Freundin dorthin geschleppt, lernt die ältere Su-jin kennen, mit der sie sich anfreundet. Bald schon hilft sie täglich in Su-jins Kleiderladen aus. Sie bittet nicht um Bezahlung, noch erwartet sie welche. Das Ganze ist für sie kein Thema: „Im Norden mussten wir mitten im Winter nach draußen gehen und Steine brechen“, sagt sie, weshalb das bisschen freundschaftliche Aushilfe doch gar nicht der Rede wert sei. Sie scheint überhaupt kein Gefühl für Finanzen zu haben und hält es zudem für selbstverständlich, einer engen Freundin zu helfen. Aus Sicht der anderen fehlt ihr jedoch jegliches Konzept von Wirtschaft, denn im kapitalistischen Süden ist es selbstverständlich, für geleistete Arbeit entlohnt zu werden. Als ihre Freundinnen Myunghee fragen, ob sie etwa Su-jins Magd sei, beginnt sie die Dinge mit anderen Augen zu betrachten.
Der Film erreicht seinen Höhepunkt in der Szene, in der Myunghee vor ihren Freundinnen explodiert: „Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, als ich hierher flüchtete. Und ich bin ganz bestimmt nicht hier, um mich von euch so behandeln zu lassen!“ Diese unverblümte Aussage der Protagonistin trifft schmerzhaft einen wunden Punkt der südkoreanischen Gesellschaft, in der die Landsleute aus dem Norden oft mit stillschweigender Geringschätzung oder Mitleid behandelt werden.

Der Film beschreibt die Konflikte zwischen einer aus dem Norden geflüchteten Frau und den Menschen in ihrer Umgebung, die aufgrund unterschiedlicher Denkweisen und wirtschaftlicher Konzepte entstehen.

Dieser mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnete Film beleuchtet das harte Los nordkoreanischer Flüchtlinge aus einer neorealistischen Perspektive.

Ein weiterer beachtenswerter Film mit derselben Thematik ist The Journals of Musan (2010), der mit insgesamt 16 Preisen ausgezeichnet wurde, darunter dem Tiger-Preis und dem FIPRESCI-kritikerpreis sowie dem Preis für den besten Film beim Andrey Tarkovsky International Film Festival. Die Jury des Toronto Reel Asian International Film Festival, die den Film mit dem Preis für den besten Nachwuchsregisseur kürte, begründete ihre Entscheidung folgendermaßen: „In der in ihrer Ungeschliffenheit und Derbheit bewegenden Geschichte eines nordkoreanischen Flüchtlings entdecken wir den erhabenen Kampfgeist eines Menschen, der sich um Anpassung an eine neue Umgebung bemüht. In Anerkennung des aufrichtigen und starken Willens der Protagonistin, zu überleben, hat die Jury sich einstimmig entschieden, diesem Film mit dem Preis zu küren.“
Dass The Journals of Musan im Ausland dermaßen begeistert aufgenommen wurde, ist auch seiner neorealistischen Perspektive zu verdanken. Zwar steht der Flüchtling Seung-cheol aus dem Kreis Musan-gun in der nordkoreanischen Provinz Hamgyeongbuk-do im Mittelpunkt des Films, doch die Dokumentation seines Alltags beleuchtet über die Realität des Lebens eines Flüchtlings hinaus die der Bedürftigen und Besitzlosen am Rande der südkoreanischen Gesellschaft: „Musan“ ist der Name der nordkoreanischen Heimatstadt des Flüchtlings, aber „Musan“ bedeutet auch „ohne Besitz sein“ und „Musan-ja“ ist ein „Besitzloser“.
The Journals of Musan, der eine Dokumentarfilm-ähnliche Realitätsnähe aufweist, deckt die Vorurteile mit denen die Flüchtlinge sich konfrontiert sehen, auf und beschreibt die erbarmungslose Realität, die sie ertragen müssen. Für Seung-cheol, der mit dem Kleben von Postern Tag für Tag von der Hand in den Mund lebt, gibt es kaum Aussicht auf Verbesserung seiner Umstände. Tagtäglich ist er verbaler und körperlicher Gewalt ausgesetzt, das Leben in Südkorea bleibt ein Kampf ums Überleben an sich. Alles, worauf er sich stützen kann, ist die Kirche, die alle Menschen als Kinder Gottes annimmt, und ein ausgesetztes Hündchen, dessen Schicksal dem seinen ähnelt.
Kim Man-cheol, der 1987 mit seiner Familie in einem Boot nach Süden floh, bezeichnete Südkorea nach seiner Ankunft als „ein warmes Land im Süden“. Doch Seung-cheol erwartet in The Journals of Musan kein solch warmes Land.

Jung Duck-hyunPopkulturkritiker

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