Trot-Musik, die geprägt von der nationalen Gefühlslage unter der japanischen Kolonialherrschaft in den 1930ern konkrete Gestalt annahm, Balladen, die meist von Herz und Schmerz singen, und die Tanzmusik der Idolgruppen, die das Herzstück des K-Pop bildet – diese drei Genres der populären Musik, die sich sowohl in ihren Anfängen als auch in ihrer Entwicklung voneinander unterscheiden, erfreuen sich bei den Koreanern anhaltender Beliebtheit und entwickeln sich beständig fort.
Diese in den 1960ern von LKL Records produzierte 30cm-Vinylplatte enthält eine Sammlung von Lee Nan-youngs Hits. Es ist eine Reproduktion von zwölf beliebten Singles, darunter auch der zeitlose Schlager Die Tränen von Mokpo.
1935 erschien ein Lied, das zum Meilenstein in der Geschichte der koreanischen Popmusik wurde: Die Tränen von Mokpo von der legendären Sängerin Lee Nan-young (1916-1965). Dieses Lied wird auch heute noch landauf, landab gern gesungen, nicht nur von den Bewohnern der Hafenstadt Mokpo.
Es ist im typischen Trot-Stil gehalten, für den eine Moll-Pentatonik im Zwei-Viertel-Takt charakteristisch ist. Dafür vertonte der Komponist Son Mok-in den Text von Mun Il-seok, der den Anfang 1935 von Okeh Records ausgeschriebenen Liedtext-Wettbewerb gewann. Besungen wird die Sehnsucht nach dem Geliebten, was als metaphorischer Ausdruck der Trauer des koreanischen Volkes über den Verlust des Vaterlandes interpretiert wurde und Die Tränen von Mokpo zum „Lied des Volkes“ machte. Der Musikstil war zwar ungewohnt, da aber der Text den Schmerz der Koreaner von damals zum Ausdruck brachte, konnte sich Trot-Musik als Genre in Korea etablieren.
Trot und nationale Befindlichkeit
Trot kam Anfang des 20. Jh. unter der japanischen Kolonialherrschaft (1910-1945) auf. Das Genre stieß anfänglich auf starke Kritik bei denjenigen, die es als japanisch beeinflusst betrachteten, einige brandmarkten es sogar als vulgär. Jedoch war das japanische Musikgenre „Enka“, von dem die Trot-Musik beeinflusst worden sein sollte, nicht rein japanischer Herkunft. Japan, das die westliche Kultur und damit auch die Musik bereits früh angenommen hatte, verband den herkömmlichen japanischen Musikstil mit der neuen westlichen Musik, woraus die sog. „Ryukoka“ (populäre Lieder) hervorgingen. Die in Korea eingeführte Version dieses Genres wurde „Yuhaengga“ (populäre Lieder) genannt, nach den 1950ern wurde die Bezeichnung „Trot“ gebräuchlich. In Japan kam es im Zuge der Festigung der nationalen Identität zur Umbennung der „Ryukoka“ in „Enka“, womit eine Erhöhung des Status als traditionelle japanische Musikgattung einherging.
Nach der Befreiung Koreas 1945 veränderten sich die Stilcharakteristika des Trot: Die Restriktionen in Bezug auf die Verwendung von Tonleitern fielen allmählich weg, das Tempo wurde schneller, die Rhythmen vielfältiger. Daraus entstanden neue Trot-Lieder verschiedenster Art, die beim Publikum auf positive Resonanz stießen. Während zuvor die Texte die Sehnsucht nach geliebten Menschen, die Heimat oder die Trauer über den Verlust des Vaterlandes eher metaphorisch zum Ausdruck gebracht hatten, wurden nun Gefühle direkter und offener artikuliert.
1.Das Original-Soundtrack-Album von Fräulein Kamelie (1964), produziert von Midopa Records, enthält zwölf Lieder von sechs Interpreten. Der Erfolg dieses Albums machte Lee Mi-ja (geb. 1941), die das Titellied sang, über Nacht zur Berühmtheit mit dem Beinamen „Königin der Elegie“. Das OST-Album führte in der vom Standard-Pop dominierten Musikszene der Zeit zu einer zweiten Blüte des Trot.
2.Dieses Album von Na Hoon-a (geb. 1947) wurde 1972 veröffentlicht, nachdem der Trot-Sänger auf dem Zenit seiner Berühmtheit einen Exklusivvertrag mit Jigu Records unterzeichnet hatte. Das Titellied Die Wassermühle dreht sich brachte ihm zum vierten Jahr in Folge die Auszeichnung „Die zehn besten Sänger“ der Rundfunk- und Fernsehanstalt MBCein.
3.Dieses 1973 von Jigu Records herausgegebene Sammelalbum enthält zehn Lieder von fünf Interpreten. Nam Jin (geb. 1946), der das Titellied sang, war neben Na Hoon-a einer der Könige der Trot-Szene der 1970er Jahre. Die beiden hauchten dem schwächelnden Populärmusik-Markt der Zeit neues Leben ein.
4.Dieses Splitalbum mit Titeln von Cho Yong-pil (geb. 1950) und der Band Young Sound, wurde 1976 von Seorabeol Records herausgegeben. Cho’s Kehr zurück in den Hafen von Busan war das Highlight des Albums, das mit einer Million verkauften Exemplare einen neuen Rekord aufstellte. Zu der Zeit durften in Japan lebende Koreaner, die Nordkorea unterstützten, zum ersten Mal nach Südkorea reisen, wodurch das Lied auch in Japan populär wurde.
Unbeugsame Lebenskraft
Nach ihrem Aufkommen Mitte der 1930er Jahre haben sich die Trot-Lieder als Hauptströmung der koreanischen populären Musik durchgesetzt, was ihrer Anpassungsfähigkeit an die Zeitläufte geschuldet ist. In den turbulenten Jahren vom Ausbruch des Koreakrieges 1950 bis zum Waffenstillstand 1953 waren diese Lieder stets an der Seite des koreanischen Volkes, indem sie von Wunden und Leid, die der Krieg mit sich brachte, erzählten.
Neuen Schwung in das Trot-Genre brachte schließlich das Lied Fräulein Kamelie von Lee Mi-ja, das 1964 erschien und sich landesweit außerordentlicher Beliebtheit erfreute. Musikalisch gesehen war es ein typisches Trot-Lied, der Text hatte jedoch etwas stark Heimatverbundenes. Trotzdem wurde es 1965 unter dem damaligen Militärregime als „japanisch beeinflusst“ gebrandmarkt und im Rundfunk verboten. Erst 1987 wurde das Verbot aufgehoben. Nichtsdestoweniger flaute der Trot-Boom, der durch talentierte Sänger wie Bae Ho, Nam Jin und Na Hoon-a fortgesetzt wurde, nicht so leicht ab.
Die Trot-Lieder nahmen in Kombination mit anderen Genres der populären Musik auch neue Formen an. Anfang der 1970er Jahre, als Rock und Folk die junge Generation begeisterten, wurden jedoch einige namhafte Stars in einen Marihuana-Skandal hineingezogen. Die Regierung startete daraufhin unter dem Vorwand, „gesunde“ Lieder zu fördern eine „Bewegung zur Reinigung der populären Musik“. Das versetzte der Populärmusik-Szene einen großen Schlag, unter dem v.a. die als subversiv gebrandmarkte Rockmusik zu leiden hatte. Daraufhin entstand der sog. „Rock-Trot“, eine Kombination aus den beiden Genres. Als Kehr zurück in den Hafen von Busan (1976) von Cho Yong-pil zum absoluten Hit wurde, begannen Rocksänger aus überlebensstrategischen Erwägungen Elemente des publikumsnahen Trot in ihre Musik zu integrieren.
Nach der Ausrichtung von internationalen Sportevents wie den Asienspielen 1986 und den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988 wurde die koreanische Gesellschaft offener und entwickelte stärkeres Interesse an Spaß und Unterhaltung. Damit gewann Trot als Unterhaltung für Erwachsene wieder an Beliebtheit, sodass die zu dieser Zeit erschienenen Songs auch „Erwachsenen-Schlager“ genannt wurden. Doch sie kamen nicht nur bei Erwachsenen gut an. Das Lied Olala! (Eomeona) von Jang Yun-jung aus dem Jahr 2004 z. B. war so populär, dass Alt und Jung es nachträllerten. Während Trot bis dahin als rührselig und auf die Tränendrüsen drückend gegolten hatte, verbreitete sich mit diesem Lied die Erkenntnis, dass diese Musik auch Lachen und Freude schenken kann.
1.Das erste (und letzte) Album von Yoo Jae-ha (1962-1987), das kurz vor seinem plötzlichen Tod bei einem Autounfall herauskam. Das Album enthält neun Titel, die mit ihrem progressiven Sound zur Weiterentwicklung der Balladen-Musik beitrugen. Es hatte großen Einfluss auf spätere Musiker.
2.Das erste, 1988 veröffentlichte reguläre Album von Byun Jin-sup (geb. 1966) verkaufte sich über 1,8 Millionen Mal, was ihm noch im selben Jahr den Best Rookie Award einbrachte, und ein Jahr später den Großen Preis bei den Golden Disk Awards. Er erfreute sich von den späten 1980er bis in die frühen 1990er Jahre großer Popularität als „Balladen-Prinz“ und trat damit die Nachfolge von Lee Moon-sae an.
3.Lee Moon-sae, der ohne Zweifel der Doyen der koreanischen „Balladensänger-Linie“ ist, brachte 1987 sein viertes Album heraus. Ab seinem dritten Album kollaborierte er mit dem Komponisten Lee Young-hoon (1960-2008). Dieses berühmte Duo schuf eine beachtliche Anzahl von Hits.
Lyrische Balladen
Der Begriff „Ballade“ geht auf das italienische „ballare“ für „tanzen“ zurück und bezeichnete im Mittelalter Tanzlieder. Der Tanzliedcharakter ging jedoch im Laufe der Zeit verloren und im 16. Jh. stand die Bezeichnung nur noch für populäre, erzählerische Lieder. Im Koreanischen hingegen sind mit „Ballade“ allgemein sanfte Weisen im langsamen Tempo gemeint. Entsprechend erzählen sie meist von romantischer Liebe und die Melodien sind weich und lyrisch.
Die Ursprünge der koreanischen Balladen finden sich in den Jazz-Songs, die in Korea unter dem Einfluss der westlichen Schlagermusik in den 1930er Jahren in Mode kamen, und Liedern unter dem Einfluss des in den 1960ern beliebten amerikanischen „traditional pop“. Die Ballade als eigenständiges Genre in der heutigen Form wurde jedoch erst viel später geboren und erlebte in den 1980er Jahren durch die Kollaboration des Komponisten Lee Young-hoon mit dem Sänger Lee Moon-sae ihre Glanzzeit. Zu den ersten Balladensängern zählt auch Byun Jin-sup, der 1988 sein erstes Album unter dem Titel Alleine gelassen zu sein herausbrachte. Hoch bewertet werden auch die Lieder von Yoo Jae-ha, der 1987 sein erstes und gleichzeitig letztes Album veröffentlichte, bevor er noch im selben Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Er wird allseits dafür geschätzt, das Niveau der Ballade durch Kombination mit Elementen der klassischen Musik und des Jazz angehoben zu haben. Auch heute noch, nach über drei Jahzehnten, rühren die Lieder dieser Sänger ans Herz des Publikums und bleiben nicht ohne Wirkung.
Balladen, die hauptsächlich aus Vers und Chorus bestehen, beginnen meist leise und sanft, um sich dann zu einem emotionalen Höhepunkt aufzuschwingen und aufs Ende zuzubewegen. Gesangsstil und Ausdruck der Gefühle haben sich im Laufe der Zeit etwas geändert. So wird z. B. mehr Umgangs- und Alltagssprache verwendet als in den 1980er Jahren. Grob gesehen lassen sich zwei Gesangstechniken unterscheiden: Während typische Balladensänger gewöhnlich mit zarter, feiner Stimme singen, beanspruchen Rockballadensänger stark ihre Stimmbänder, um dem Song eine „rauchig-verkratzte“ Note zu geben. Nach den 1980er Jahren hat sich die Ballade auch durch Crossover-Experimente mit anderen Musikrichtungen wie Rock, R&B und Soul weiterentwickelt.
Das erste, 1992 von Seo Taiji & Boys (aktiv 1991-1996) herausgebrachte Album kombinierte Tanz mit Metal und Rap. Es schlug dermaßen ein, dass einige die koreanische populäre Musik in „die Zeit vor und nach Seo Taiji“ einteilen.
Tanzmusik: Triebkraft des K-Pop
Schon seit alter Zeit hat das koreanische Volk eine ausgesprochene Vorliebe fürs Singen, Tanzen und Trinken. Die heutzutage populäre Tanzmusik geht jedoch auf westliche Einflüsse zurück und kam erst in den 1980ern im koreanischen Mainstream an. Auch in Korea erfreute sich nach dem Disco-Boom Ende der 1970er Jahre die Musik von Michael Jackson und Madonna, die vor allem Dance-Pop-Lieder mit starkem Beat und einfacher Struktur darboten, großer Beliebtheit. Das führte zur Entwicklung eines Tanzmusikstils, der zwar ähnlich, aber doch distinktiv koreanisch war.
Mit der landesweiten Verbreitung des Farbfernsehens Anfang der 1980er wurde die „Musik zum Anschauen“ genau so wichtig wie die „Musik zum Hören“. Die Tanzmusik-Szene der Zeit führten die Sängerin Kim Wan-sun, der Sänger Park Nam-jung und die dreiköpfige Dance-Group Sobangcha (Feuerwehrauto) an. In den 1990ern erlebte die koreanische Musikszene unter dem Einfluss von Hip-Hop und Rock – angeführt von Bands wie der Boygroup Seo Taiji and Boys – weitere Veränderungen. Gleich nach der Millenniumwende folgte dann ein beachtenswerter Generationswechsel: Große Management-Agenturen zogen durch systematisches Intensivtraining Idolgruppen heran, für die sie massenweise Dance-Lieder produzierten, die den Weg für die Koreanische Welle „Hallyu“ ebneten. Nicht unerwähnt bleiben sollte in dem Kontext der bemerkenswerte Hit Gangnam Style des Sängers Psy aus dem Jahr 2012, der mit dem sog. Pferdetanz die ganze Welt begeisterte.
Aktuell genießt die dritte Idolgruppen-Generation – darunter BTS, TWICE, Blackpink und EXO – weltweit große Beliebtheit. In den letzten zwei, drei Jahren ist in der K-Pop-Industrie der Gewinnanteil durch Bühnenauftritte zwar geschrumpft, dafür erhöhten sich aber die Einnahmen durch digitale Musik-Contents. Streng genommen sind nicht alle Richtungen der Idolgruppen-Musik Tanzmusik und selbst bei der Tanzmusik lassen sich bei genauer Betrachtung Unterschiede ausmachen, aber die ganzkörperlichen Performances der Gruppen lassen sich kaum außerhalb der Großkategorie „Dance Music“ definieren.
Tatsächlich lassen sich die Stilrichtungen der populären Musik nicht immer exakt voneinander trennen und ein Sänger bleibt auch nicht unbedingt nur einem Genre treu. Ein gesundes Populärmusik-Ökosystem kann zudem nur dann entstehen, wenn verschiedene Musikgenres koexistieren und einander beeinflussen. In diesem Sinne lässt sich behaupten, dass sich die koreanische Populärmusik durch die Konkurrenz zwischen den erwähnten drei Hauptrichtungen robust weiterentwickelt hat. Trot-Lieder werden von allen Leuten, insbesondere aber von den älteren Generationen bei vergnüglichen Zusammenkünften konsumiert, und Balladen genießen als Liebeslieder mit langsamem Tempo nach wie vor breite Popularität. Tanzmusik führt die K-Pop-Welle an, was das Potential der koreanischen populären Musik weltweit demonstriert.
Trot-Lieder werden von allen Leuten, insbesondere aber von den älteren Generationen bei vergnüglichen Zusammenkünften konsumiert, und Balladen genießen als Liebeslieder mit langsamem Tempo nach wie vor breite Popularität.
Tanzmusik führt die K-Pop-Welle an, was das Potential der koreanischen populären Musik weltweit demonstriert.
1, 2. Nach einer Pressekonferenz in einem Hotel im Seouler Viertel Gangnam gibt Psy (geb. 1977) 2012 vor dem Verlassen der Bühne seinen berühmten Pferdetanz zum Besten. Der Titelsong seines 6. regulären Albums Gangnam Style rangierte sieben Wochen in Folge auf Platz zwei der Billboard Hot 100.
3, 4.Das zweite reguläre Album von EXO, einer neunköpfigen Boyband (oben), und das erste Mini-Album von Blackpink, einer vierköpfigen Girlgroup. In den 2000er Jahren kamen Idolgruppen auf, die mit ihrer Tanzmusik die Musik-Szene beherrschen, in den meisten Fällen das Resultat systematischen Trainings durch große Entertainment-Agenturen.