메인메뉴 바로가기본문으로 바로가기

null > 상세화면

2018 AUTUMN

Traditionelle Gasa-Lieder für jedermann

Die erste Aufführung des kompletten, 12 Gasa- Lieder umfassenden Zyklus Zwölf Gasa, der nur als Partitur überliefert wurde, im Jahr 1997 war ein bahnbrechendes Ereignis. Die Sängerin war Lee Jun-ah (geb. 1960), die sich über 50 Jahre dieser klassischen koreanischen Vokalmusik Jeongga gewidmet hat.

Lee Jun-ah, die sich seit einem halben Jahrhundert dem Singen der von den Gelehrten geliebten Jeongga-Weisen (eleganter und würdiger Gesang) verschrieben hat, sagt, dass ein tiefes Verstädnis aller menschlichen Gefühle notwendig ist, um den Textinhalt richtig zu vermitteln. Im März 2018 wurde sie zur Trägerin des Immateriellen Kulturgutes der Kunst des Singens der traditionellen poetischen Lieder Gasa ernannt.

Schon früh schwebten fremdartig klingende Weisen durch das Haus ihrer Kindheit. Statt mit Gleichaltrigen herumzutollen, lernte Lee Jun-ah schon mit sechs die traditionellen Sijo-Gedichte auswendig. Damals wich sie nicht von der Seite ihres Großvaters, schnappte Fragmente der Verse auf und bewegte sich zu den sanften, langsamen Melodien, die er immer und immer wieder sang, manchmal alleine, manchmal mit seinen Gästen. Das mochte sie ebenso sehr wie Spielen.

Sich an ihre Kindheit zurückerinnernd, sagt Lee: „Mein Großvater, ein Beamter, sang sehr gerne die poetischen Sijo-Weisen und besuchte auch regelmäßig ein Sijobang, ein privater Liederkreis im Volkshochschul-Stil, in dem Sijo-Enthusiasten gemeinsam lernen und sich austauschen. Als ich so sechs Jahre alt war, kamen die Sijobang-Senioren zu uns nach Hause und trugen der Reihe nach ein Werk vor. Meine Mutter servierte Tee, während ich zuschaute. So lernte ich im Laufe der Zeit Sijo vorzutragen und sang später auch schon mal vor Gästen. Wenn sie mich lobten, fühlte ich mich geschmeichelt. Sie steckten mir auch Taschengeld zu...“, sagt sie.

Trost für den Großvater

Die Erwachsenen waren erstaunt, dass das Kind die alten Lied-Gedichte singen konnte, und wunderten sich, wer es ihr beigebracht haben könnte. Lee hatte aber nie einen richti- gen Lehrer. Sie hatte lediglich die Weisen, denen sie so lange gelauscht hatte, immer und immer wieder wiederholt, bis sie die unverständlichen Wörter auswendig konnte. Angespornt hatten sie wohl ihr Talent und die Musik-Leidenschaft ihres Großvaters. Die Enkelin mit ihrer schnellen Auffassungsgabe war sein Augenstern, doch beim Üben ließ er Strenge walten. Da sie noch klein war, dachte sie damals einfach, dass der Großvater die lyrischen Weisen einfach so gerne mochte, dass er sich wünschte, dass auch sie sie gut sang. Manchmal hätte sie lieber draußen gespielt, aber sie fügte sich seinem harten Regiment, weil sie sein Lob hören wollte.

Bei den Gasa-Partituren steht der Text in Versform im oberen Teil und Tonlage sowie Rhythmus der einzelnen Silben in den Kästchen im unteren Teil. Von den heute noch existierenden 12 Gasa-Stücken sind bis auf drei alle im Sechsertakt gehalten.

Erst Jahre später erfuhr sie, dass der strenge Unterricht ihres Großvaters überraschenderweise etwas mit der Geige zu tun hatte: „Mein Großvater, der Geigenmusik über alles geliebt hatte, hatte aus seinem ältesten Sohn einen Geigenspieler gemacht. Das war noch zur japanischen Kolonialzeit“, erzählt Lee. „Mein Onkel soll ein so hervorragender Musiker gewesen sein, dass er später sogar mit dem Cellisten Jeon Bong-cho (1919-2002), dem späteren Dekan der Musikhochschule der Seoul Nationaluniversität, und dem weltbekannten, in Deutschland im Exil lebenden Komponisten Yun Isang (1917-1995), als Trio auftrat.

Dieser Onkel wurde aber während des Koreakrieges nach Nordkorea verschleppt. Großvater war dermaßen erschüttert, dass allein schon der Klang einer Geige ihn traurig machte. Auch ich lernte als Kind für eine kurze Zeit Geige, aberGroßvater brachte mich davon ab. Seine Leidenschaft für Musik ging also sozusagen von der Geige zum Sijo-Singen über.“

Ihr ältester Onkel war der Geigenspieler Lee Gye-seong, der später lange als Konzertmeister des nordkoreanischen Staatlichen Sinfonieorchesters aktiv war. Die Sijo-Weisen haben ihrer Familie, die von der Tragik der modernen koreanischen Geschichte gezeichnet war, Trost gebracht und gleichzeitig die Zukunft der jungen Lee Jun-ah in eine neue Richtung gelenkt.

Ihr eigener Traum

Der Großvater, der das Talent seiner Enkelin erkannt hatte, suchte nach einem kompetenten Lehrer. Schließlich stellte ein Bekannter der Familie sie dem Meistersänger Yi Ju-hwan (1909-1972) vor, dem ersten Leiter des National Traditional Music Institute, dem Vorläufer des National Gugak Center.

Unter diesem virtuosen Sänger und Lehrmeister begab sich Lee auf die lange und mühsame Reise eines ernsthaften Musikstudiums. Doch das Leben verlief nicht nach Plan: Einige Jahre später schon verstarb Meistersänger Yi und sie stand ratloser denn je zuvor da, weil sie nicht wusste, wo und bei wem sie weiterlernen könnte.

So begann sie zunächst einmal, an den monatlichen Konzerten des Koreanischen Jeongak-Center, das auf traditionelle klassische Musik (Jeongak) spezialisiert ist, teilzunehmen. Die Konzerte fanden zwar nur einmal im Monat statt, waren aber für eine Grundschülerin, die noch zu jung für großartige Zukunftspläne war, eine große Belastung. Die Musik war für sie etwas so Selbstverständliches wie die Luft zum Atmen, doch sie hatte weder Ehrgeiz noch Willen, aus dem Gelernten etwas mehr zu machen. Die auf der Bühne singende Lee Jun-ah war gewissermaßen nicht ihr eigener Traum, sondern der der Erwachsenen.

Lee erinnert sich: „Da der Tod meines Lehrmeisters alle meine Pläne zunichte gemacht hatte, gab ich die Musik völlig auf.

Ich besuchte eine normale Mittelschule und fokussierte mich wie alle anderen auch drei Jahre nur aufs Lernen. Ich stellte mir eine normale Zukunft wie die meiner Altersgenossen vor:

Besuch einer normalen Oberschule, danach Studium, wobei mein Hauptfach nicht Musik sein sollte. Aber Großvater war strikt dagegen. Vielleicht hatte er ja irgendwie eine Vorahnung gehabt. So kam es, dass ich schließlich doch auf die Gugak National High School ging.“ Kurz nach ihrem Oberschuleintritt wurde sie von einem Lehrer, der neue Welten für sie erschließen sollte, entdeckt: Yi Yang-gyo (geb. 1928). Unter Yis Anleitung verschrieb siesich schließlich dem Erlernen der Jeongga-Lieder. Sie begann zudem, nicht nur allmählich die Bedeutung dessen, was sie tat, zu verstehen, sondern sich auch für die Erforschung der Wurzeln dieser repräsentativen Lieder der Nation und für die Wiederbelebung des Genres zu interessieren. Aber erst, als sie dabei die poetischen Gasa-Lieder für sich entdeckte, konnte sie ihren Traum zu erfüllen beginnen. All das hatte sie ihrem Lehrer Yi Yang-gyo zu verdanken.

Die letzte Entscheidung

Die Homepage der Gugak National High School, die Lee besuchte, stellt das Genre Jeongga wie folgt vor: „Jeongga, wörtlich ‚eleganter und würdiger Gesang‘, ist ein Genre traditioneller koreanischer Vokalmusik, die früher von den Literati des Joseon-Reiches gerne gesungen wurde. Dazu gehören im einzelnen Gagok, Gasa und Sijo. Anders als der epische Sologesang Pansori oder die traditionellen Volkslieder Minyo, die alle Arten menschlicher Gefühle wie Freude, Wut, Trauer und Glück in all ihrer Emotionalität zum Ausdruck bringen, charakterisiert die Jeongga die Ästhetik der strengen Zügelung der Emotionen.

Darunter gilt Gagok als beschwingt-entspanntester und gleichzeitig edelster Gesang, in dem Poesie und Musik in Einklang gebracht werden, um eine friedliche und tiefgründige Welt der Kunst zu verbalisieren. Im Gegensatz zu Gagok, einem aus fünf Teilen bestehenden Lied für ausgebildete Sänger in Begleitung eines kleinen Orchesters, sind die auf dreizeiligen Gedichten basierenden Sijo Lieder, die jeder in Begleitung zum rhythmischen Klatschen auf die Knie singen kann.

Die Gasa wiederum sind lange, nach einem vorgegebenen viergliedrigen metrischen Schema verlaufende poetische Texte, die in einem bestimmten Rhythmus gesungen werden.“ Anders als für die bekannteren Minyo-Volkslieder und den Pansori-Sologesang gab und gibt es nur selten Schüler, die Jeongga als Hauptfach wählen, eine Vokalmusik, die die edle Geisteswelt der konfuzianischen Seonbi-Gelehrten zum Ausdruck bringt. Auch Lee Jun-ah entschied sich bei Oberschuleintritt zunächst für die traditionelle sechssaitige Zither Geomungo. Auch für das Studium an der Chugye University for the Arts und an der Graduiertenschule der Ewha Womans University sah es dann zunächst so aus, als ob ihr nichts anderes übrig bliebe, als ein Instrument im Hauptfach zu studieren.

Aber da Lee, die in Jeongga gut geübt war, ein Stipendium bekam, wurde jeweils ein entsprechendes Hauptfach-Studium eingerichtet und so wurde sie an beiden Universitäten die erste Absolventin mit Hauptfach Jeongga.

“I’ve done research on the 12 gasa songs, appreciating the beauty and uniqueness of each, and refined my performance of them for 40 years. Doing so, I realized that the universe is ruled by yin and yang, just as there is no joy without sadness.”

Die Gasa unterschieden sich grundlegend von den Sijo- und Gagok-Liedern, die Lee vor ihrem Besuch der Gugak National High School gesungen hatte. Sie hatten etwas Besonderes und gleichzeitig Anspruchsvolles. Lee vermochte sich z.B. kaumin die alten chinesischen Geschichten, auf die in den Liedern Bezug genommen wird, einzufühlen. Das Baekgusa (Gedicht über eine weiße Möwe) wird z.B. von einem Gelehrten gesungen, der, vom König seines Hofamtes enthoben, durch die weite Natur streift und die herrliche Frühlingslandschaft genießt;

in Suyangsan-ga (Lied über den Berg Suyang-san) klagt der Dichter, dass sein Plan, bei Reiswein und Beilagen Mondlicht und Natur zu genießen, von Wind und Schneeregen zunichte gemacht wurde. Solche Themen lagen Welten entfernt vom Empfindungsvermögen einer Oberschülerin.

Um das neue Genre nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit dem Herzen zu interpretieren, war es erforderlich, den Inhalt zu verstehen und sich darin einzufühlen. So begann Lees endlose Erforschung der Gasa, die sich über ihre Oberschulund Hochschuljahre hinaus bis in die Zeit als Lehrassistentin bei ihrem Meister, der Träger des Immateriellen Kulturgutes Gasa war, erstreckte.

Ihre Studien waren erhellend: „Während das eine Lied in Dur und strahlend hell wie die Sonne im Mai gesungen werden muss, muss das andere schwermütig wie in Moll der westlichen Musik vorgetragen werden. Wieder andere sollten fröhlich-beschwingt wie Minyo-Volkslieder gesungen werden, und noch andere kraftvoll“, erklärt sie. „Ich habe mich intensiv mit den 12 Gasa-Liedern des Zyklus Zwölf Gasa beschäftigt, habe die Schönheit und Einzigartigkeit jedes einzelnen zu würdigen gelernt und meine Vortragskunst gut 40 Jahre verfeinert. Dabei wurde mir bewusst, dass dem Universum die Harmonie von Yin und Yang zugrunde liegt. So gibt es z.B. keine Freude ohne Trauer.“ Mit den Einsichten ins Leben des Menschen, die ihr das jahrzehntelange Vortragen der kontemplativen Gasa gebracht hat, haben Lees Vorführungen dermaßen an Dynamik und Tiefe gewonnen, wie sie unter Künstlern mit ähnlichem Repertoire schwer zu finden ist. Die Zuschauer spüren das sofort. Besonders begeistert werden ihre Vorführungen vom ausländischen Publikum aufgenommen. So z.B. auch auf ihrer Europa-Tour, die sie im März 2018 neben Hamburg, Stuttgart, Berlin und München auch nach Brüssel führte. Das Publikum, das die alten koreanischen Lieder zum ersten Mal hörte, rief lange nach Zugabe.

Lee Jun-ah singt das Pflaumenblütenlied mit ihren Studenten. Derzeit unterrichtet sie an die 50 Studenten in der Tradition des Gasa-Singens.

Schon vier Jahrzehnte sind es her, dass Lee im Alter von 17 Jahren mit dem Singen von Gasa begann. 35 Jahre hat sie für das National Gugak Center gearbeitet, zunächst als Mitglied, später als Beirätin des Jeongak-Ensembles, jetzt als Konzertmeisterin. All diese Jahre lang blieben die Gasa Teil ihres Lebens.

Daher ist der Titel „Träger des Wichtigen Immateriellen Kulturgutes Nr. 41 Gasa“ mehr als ein bloßes Zeichen der Ehre oder des Prestiges. Es ist vielmehr eine Anerkennung von seiten der Gesellschaft, die sie mit ihrem Lebenswerk errungen hat.

Vorführung des kompletten Zyklus

„Bis dahin hatte es niemand zuvor geschafft, alle 12 Stücke des Zyklus Zwölf Gasa auf der Bühne zu präsentieren. Deshalbbeschloss ich, einen Versuch zu wagen. Meine Anstrengungen trugen 1997 Früchte, als ich das erste Konzert mit dem vollen 12-Lieder-Repertoire gab. Ich wurde von allen Seiten mit Glückwünschen und ermutigenden Worten überhäuft“, erzählt Lee. Ihre Lieder erschienen 2008 in einem Album mit vier CDs.

1997 nahm sie am Ersten Internationalen Musikfestival „Sharq Taronalari“ (Melodien des Ostens) in Samarkand teil, das von der usbekischen Regierung ausgerichtet und von der UNESCO gesponsert wurde.

„Seitdem Gagok 2010 in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes eingetragen wurde, gibt es vermehrt Anstrengungen, die Gagok aufzuführen und zu überliefern. Für die Gasa erhoffe ich mir entsprechend, dass noch mehr Menschen neugierig darauf werden und sich ernsthaft damit befassen.“ Zur Förderung der traditionellen klassischen Vokalmusik Jeongga hat Lee Jun-ah oft auf Bühnen im In- und Ausland gestanden. Ihr voller Terminkalender lässt ihr nicht einmal Zeit, krank zu werden. Die Auszeichnung „Trägerin des Immateriellen Kulturgutes Gasa“ hat eine große Verantwortung auf ihre Schultern geladen.

„Die Gasa scheinen mir in Korea seltsamerweise weniger bekannt zu sein und als schwieriger empfunden zu werden als im Ausland“, sagt sie. „Wir müssen uns noch stärker bemühen, die Lieder unseren Bürgern näherzubringen. Profi-Musiker aus unterschiedlichen Bereichen könnten sie für Konzert-Kollaborationen einstudieren, der Durchschnittsbürger könnte damit seinen Horizont und seine geistige wie körperliche Gesundheit befördern. Ich werde das Meine tun, damit jeder diese eleganten, bedeutsamen Lieder kennenlernen kann.“

U Seung-yeonFreiberufliche Schriftstellerin
Fotos Ahn Hong-beom

전체메뉴

전체메뉴 닫기