Auf einen typisch koreanischen Esstisch kommt neben dem Grundnahrungsmittel Reis so gut wie immerauch eine aus Mu (weißer Rettich) zubereitete Beilage. Rettich ist nicht nur wegen seines Geschmacks, dergut mit dem von Reis harmoniert, beliebt, sondern auch, weil er früher im Winter, wenn frisches Gemüserar war, als Hauptlieferant von Vitamin C diente. Heutzutage wird Rettich zu jeder Jahreszeit angebaut,doch Woldongmu (Winterrettich) der auf den Inseln in den südlichen Gewässern, wo die Winter relativmild sind, angebaut wird, ist am schmackhaftesten.
Neben Würzgemüse ist Mu eineder beliebtesten Gemüsesortenin Korea. Während in Europaroter Rettich (Radieschen) roh oder alsSalatzutat gegessen wird und in Japan der als„Daikon“ bekannte weiße Rettich als Zutat fürFisch-Schmorgerichte, Soba-Buchweizennudelnoder Miso-Suppe (Suppe auf Sojabohnenpastenbasis)verwendet, als Pickle serviert oder roh undgeschabt als Sashimi-Garnierung eingesetzt wird,nutzt man Rettich in Korea als Zutat für Kimchi,Suppen und Eintöpfe, aber auch als Grundbestandteilfür Brühen der unterschiedlichsten Art.Zählt man Siraegi (getrocknete Rettichblätter) undMumallaengi (in schmale Streifen geschnittener,getrockneter Rettich) hinzu, kann man sagen, dassRettich so gut wie täglich auf dem koreanischenSpeiseplan steht. Auch der Fakt, dass Rettich reichan Amylase ist, einem Enzym, das Stärke auflöstund so verdauungsfördernd wirkt, erklärt,warum die Koreaner, deren HauptnahrungsmittelReis ist, seit jeher viel Rettich essen.
„Winter-Ginseng“ – eine wertvolle Vitaminquelle
Klare Rettichsuppe erfreut sichgenereller Beliebtheit bei denKoreanern. Rindfleisch- und Rettichstückewerden in Sesamölin der Pfanne kurzgebraten, mitWasser und Sojasoße gekochtund mit Salz und Peffer abgeschmeckt.
Bis in die 1970er Jahre, als der Gewächshausanbauin Korea noch kaum entwickelt und Gemüseim Winter enstprechend rar und wertvoll war,wurde der im Herbst geerntete Rettich tief in derErde vergraben, um ihn vor Frost zu schützen. Denganzen Winter über wurden aus diesem VorratBeilagen zubereitet. Aber er wurde auch geschältund einfach roh gegessen. Auch wenn Rettich nichtso süß wie Obst schmeckte, war er doch wegenseines erfrischenden, süßlich-milden Geschmacksein beliebter Mitternachtsnack. Dieser Winterssnack-Rettich wurde auch „Dongsam“(Winterginseng) genannt. Der Vergleich mitdem teuren Ginseng, dem hohe Heilkraftzugesprochen wird, ist der Tatsache zu verdanken,dass Rettich gerade im Winter einlebenswichtiger Vitamin-C-Spender war.
Heutzutage wird Rettich zu allen vier Jahreszeitenangebaut, wobei die Jahresproduktiondie jeder anderen Gemüsesorteübersteigt. Unter den verschiedenen Rettich-Sorten gilt der winterharte Rettichals der schmackhafteste. In den südlichenRegionen Koreas fällt die Temperatur auchin Hochwinternächten nur selten unter nullGrad. Je mehr Winternächten mit Temperaturenzwischen null und zehn Gradder Rettich ausgesetzt ist, desto süßerschmeckt er.
Bei dem Prozess, die tagsübermittels Photosynthese gebildete Stärkezum Schutz vor der nächtlichen Kälteschnell in Glucose verwandelt wird, intensiviertsich nämlich der süßliche Geschmack.Seit Mitte der 1990er Jahre wird Woldongmu-Winterrettich in großen Massen produziertund in den Städten vertrieben.Am bekanntesten ist der besonders schmackhafteWoldongmu-Rettich von der InselJeju-do. „Jeju-Woldongmu“ wird bereitsseit zehn Jahren säuberlich gewaschenund in Plastikbeuteln verpackt in die USAexportiert. Im Sommer hingegen wird Rettichin Höhenlagen von über 600m in derProvinz Gangwon-do im Osten Koreasangebaut. Da in tieferen Lagen Gemüse beiTemperaturen über 30˚C zu wachsen aufhörtoder zu wuchern beginnt und so anSukkulenz und Süße verliert, hat man denAnbau in höhere Lagen, wo die Temperaturennachts stark sinken, verlagert.
Yeolmu Guksu – eine sommerlicheDelikatesse
Die Wurzel eines frisch aus derErde gezogenen Rettichs ist knackigund süß. Die grünen Blätterwerden getrocknet, um später inSojabohnenpasten-Stews oderals Gemüsebeilage Verwendungzu finden.
Sommerzeit ist Yeolmu–Zeit, die Zeit desjungen Rettichs. Yeolmu wird früher alsandere Sorten geerntet und ist bekannt fürseinen knackig-frischen Geschmack. „YeolmuGuksu“ ist ein kaltes, erfrischendesNudelsuppengericht, für das Yeolmu-Kimchi-Sole mit Anschovis-Brühe gemischtund gekühlt wird, bis eine dünne Eisschichtentsteht. In die eiskalte Brühe kommenSomyeon-Engelshaarnudeln. Diese preiswerteDelikatesse erfreut sich besondersim Sommer großer Beliebtheit und ist auchin preiswerten Imbissrestaurants zu haben.Die kalte, süßsaure Brühe mit dem knackigenYeolmu-Kimchi und den zarten Nudeln– mit diesem Geschmack auf der Zungelässt sich die sommerliche Hitze für kurzeZeit vergessen.
Spricht man von Sommer-Nudelgerichtenmit Rettich, darf Naengmyeon nichtvergessen werden. Hierbei handelt es sichum ein traditionelles koreanisches Gerichtaus Buchweizennudeln in einer eiskaltenBrühe aus Rind-, Schweine- oder Hühnchenfleisch,garniert mit dünnen ScheibenGurke und Rindfleisch sowie einem halbengekochten Ei. Dabei darf Mu Chojeorim (inEssig eingelegter Rettich) als Garnierungnicht fehlen. Für Mu Chojeorim wird Rettichin 2-3 mm dünne Streifen geschnitten undin Salz, Chilipulver, Essig und Zucker eingelegt.Für die Tradition, Buchweizennudelnzusammen mit Rettich zu verzehren, gibtes einen Grund: In der Schale des Buchweizenssind Giftstoffe wie Salicylamin undBenzylamin enthalten, die durch die Enzyme im Rettich neutralisiert werden. Ausdem gleichen Grund wird in Japan das kalteBuchweizennudel-Gerichte Soba zusammenmit geriebenem Rettich serviert.
Sommerzeit ist Yeolmu–Zeit, die Zeit des jungen Rettichs. Yeolmu wird früher als andere Sortengeerntet und ist bekannt für seinen knackig-frischen Geschmack.
Kkakdugi: einfach zuzubereitenderRettich-Kimchi
Kkakdugi, dessen Hauptbestandteil Rettichist, gilt unter den unzähligen Kimchi-Sortenals besonders einfach in der Zubereitung.Chinakohl-Kimchi verlangt eine Vielzahlvon Zutaten und die Herstellung istsehr kompliziert, sodass ich mich nicht ansEinlegen wage, aber wenn meine 13-jährigeTochter Kkakdugi essen möchte, nehmeich mir die Zeit dafür: Im Supermarkt vordem Haus kaufe ich einen Rettich, der dannin Würfel von ca. 2 bis 3cm geschnittenwird. Die Würfel werden mit Salz bestreutund etwa zwei Stunden ziehen gelassen.Das Salz entzieht dem Rettich Wasser,sodass er knackiger wird. Anschließendfügt man Sardellensoße, eingesalzeneShrimps, Chilipulver und eine weiße Pasteaus aufgekochtem Klebreis und Wasserhinzu (letztere ist optional, wenn man Zeitsparen will) und vermischt alles. Kleingeschnittener Schnittlauch intensiviert denGeschmack. Nach zwei Tagen Fermentierungist der Rettich-Kimchi verzehrfertig.Zu Fleischsuppen wie Dakbaeksuk (Eintopfmit gefülltem Hühnchen), Galbitang(Rinderrippen-Suppe), oder Seolleongtang(Rinderkreftbrühe) passt zwar auch Chinakohl-Kimchi, aber gut gereiftes Kkakdugiist die perfekte Beilage. Rettich hilft beider Verdauung fettiger Gerichte, sodassdie Kombination eines Gerichts mit RettichGesundheit und Geschmack befördert.
Eine besondere Sorte Rettich-Kimchi ist„Bollak-Mu-Kimchi“ (Rettich-Kimchi mitStachelkopf (Sebastes inermis), einer Rotbarsch-Art), eine Spezialität der südlichenKüstenregionen wie Tongyeong in der ProvinzGyeongsangnam-do. Dafür legt maneinen ganzen Stachelkopf in Rettich-Kimchiein. Anfänglich verströmt es einen starkenFischgeruch, doch nach ca. zweimonatigerFermentation verschwindet der fischigeGeruch und durch das gereifte Fischeiweißentsteht ein ganz besonderes und appetitanregendesAroma. Wird Rettich-Kimchimit Stachelkopf auf einer Platte serviert,mag der Anblick vielleicht nicht besondersappetitanregend sein, aber schon mitdem ersten Bissen weicht die Skepsis demErstaunen: Durch den Fermentierungsprozesswerden die harten Gräten des Fischeszart, wobei das Fischfleisch jedoch seinefeste Konsistenz behält, sodass der Gaumennicht mehr Kimchi schmeckt, sondernein Gourmet-Fischgericht. Gemeinsam miteiner Schüssel dampfendem Reis wird diesesbesondere Kimchi-Gericht schnell verspeistsein. In Euljiro in der Seouler Stadtmittekann man diese Kimchi-Spezialitätim Frühling im Restaurant „Chungmu-Jip(Chungmu-Haus)“, das auf die regionaleKüche von Tongyeong spezialisiert ist, probieren.Welches der vielen Mu-Gerichte auchimmer Ihren Geschmacksvorlieben amnächsten kommen mag: Rettich, eine wichtigeZutat der koreanischen Küche, versprichtkulinarische Höhenflüge.
Für Dongchimi (Rettich-Wasserkimchi) werden kleine,rundliche Rettiche gesäubert und nur mit wenigenGewürzen wie Salz, Knoblauchknollen, Ingwerscheiben,Schnittlauch und roten Chilis eingelegt.Ist der Kimchi gereift, wird der Rettich in bissfertigeStücke geschnitten und in der gekühlten Flüssigkeitserviert. Früher wurde der Dongchimi-Krug im Hofvergraben und lieferte den ganzen Winter über eineerfrischende Beilage.
Für Kkakdugi (Rettichwürfel-Kimchi) wird Rettich inbissfertige Würfel geschnitten und mit Salz besprenkelteine Weile ruhen gelassen, bis er mit einerWürzmischung aus Sardellensoße, fermentiertenGarnelen und Klebreis-Paste vermischt und mitgehacktem Schnittlauch zum Verfeinern eingelegtwird. Gut gereiftes Kkakdugi gilt als perfekte Beilagefür diverse Fleischsuppen-Gerichte.