Jeongseon ist ein Ort voller Charme zu allen Jahreszeiten. Doch es ist gerade die Winterzeit, in der er seine ganze Schönheit entfaltet: Strahlend weißer Schnee im Kontrast zu pechschwarzen Kohlestätten, Trekking mit den Wolken als Begleiter sowie der traditionelle Markt Jeongseon-Oiljang – hier lässt sich die authentische Berglandschaft Koreas erleben.
Ohne den Kreis Jeongseon-gun in der Provinz Gangwon-do hätte es Korea vielleicht nicht geschafft, seinen heutigen Stand zu erreichen. Das folgende Beispiel macht die Wichtigkeit dieser Region deutlich: Am 9. März 1957 fand die Eröffnungszeremonie des Hambaek-Bahnhofs statt. Seitens der südkoreanischen Regierung nahmen der Verkehrsminister Lee Jong-rim und der Minister für Handel und Industrie Kim Il-hwan teil. Doch es waren auch weitere Gäste anwesend: Der US-Botschafter Walter C. Dowling und der taiwanesische Botschafter Wang Dongyuan. Dass zur Eröffnung eines Bahnhofs in einer abgelegenen ländlichen Gegend Botschafter aus dem Ausland teilnahmen, spiegelt die besonders große Bedeutung des Hambaek-Bahnhofes wider.
Mittelpunkt der Kohlenindustrie
Der Bahnhof Hambaek sowie die damals durch diese Region verlaufende Hambaek-Linie dienten zwar auch als Verkehrsmittel für die Einwohner, hatten jedoch hauptsächlich die Funktion, Kohle zu transportieren. In Südkorea, einem Land ohne einen Tropfen Ölvorkommen, war Kohle eine unverzichtbare Energiequelle zur Stromerzeugung, zum Betrieb von Fabriken, zur Aufrechterhaltung von Schulen und zur Beheizung, um die strengen Winter zu überstehen. Jeongseon als wichtigste Region der Kohleförderung war zwischen den 1950er und 1980er Jahren der Energieträger-Standort Nr. 1. Man könnte sogar sagen, dass der heutige Fortschritt ohne Jeongseon nicht möglich gewesen wäre.
Vor allem war Jeongseon ein Mittelpunkt privater Kohlebergwerke. Hier befanden sich u. a. das Sabuk-Bergwerk des Dongwon-Kohleunternehmens, das damals größte Privatbergwerk des Landes, aber auch das Jeongam-Bergwerk des Samcheok-Kohleunternehmens sowie das Jamiwon-Bergwerk und das Muksan-Bergwerk. In der Blütezeit waren es sage und schreibe 36 Bergwerke, die über einen langen Zeitraum florierten. Die immense landesweite Nachfrage nach Kohle führte zu einem nie dagewesenen Boom. Es hieß: Die für Taxifahrer profitabelste „goldene Taxiroute“ Koreas befinde sich in Gemeinde Sabuk-eup, Kreis Jeongseon. Auch registrierte eine Elektronikmarke in Jeongseon ihre höchsten Umsätze. Man scherzte, dass „sogar die Hunde, die hier rumlaufen, einen 10.000-Won-Schein im Maul tragen.“
Der Markt Gugongtan ist nach den Kohlebriketts mit neun Löchern benannt. Auf dem Markt sind hier und da Kunstwerke zu Kohlebriketts und Bergleuten zu sehen.
Die Situation änderte sich jedoch drastisch in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Während die Ölpreise stabil blieben, stiegen die Kosten für den Kohleabbau kontinuierlich, und ein Rückgang der Kohlennachfrage war absehbar. Schließlich wurde die „Politik zur Rationalisierung der Kohleindustrie“ eingeführt, die Maßnahmen zur Schließung unrentabler Kohlebergwerke vorsahen. Infolgedessen wurden die meisten der landesweit 347 Kohlebergwerke in den 1990er Jahren geschlossen. Das zuletzt verbliebene Jangseong-Bergwerk in Taebaek wurde im September 2024 stillgelegt, und 2025 wird das Dogye-Bergwerk in Samcheok ebenfalls schließen. Danach wird nur noch das privat betriebene Gyeongdong-Kohlebergwerk in Samcheok übrigbleiben.
Ein Kohlebergwerk als Kunstraum
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bergwerke vollständig aus der Geschichte verschwunden sind. Aber die Krise wurde in Chancen verwandelt und die im Zuge des industriellen Wandels aufgegebenen Räume wurden erfolgreich in neuen Formen wiederbelebt. Ein repräsentatives Beispiel dafür ist die Samtan Art Mine.
„Samtan“ steht für Samcheok Tanjwa (Samcheok-Kohleunternehmen), und „Art“ ist englisch für Kunst. Es handelt sich um eine ehemalige Kohlenmine, die von 1964 bis 2001 in Betrieb war und dann in einen Kunstraum umgewandelt wurde. Das Besondere daran ist, dass die Spuren der alten Industrie so weit wie möglich bewahrt und die Kunst hinzugefügt wurde. Daher der Name Art Mine.
Samtan Art Mine ist ein Kunst- und Kulturraum, der aus einem zurückgelassenen Bergwerk entstanden ist. Es wurde auf dem Gelände vom Jeongam-Bergwerk des Samcheok-Kohleunternehmens errichtet, das von 1964 bis 2001 in Betrieb gewesen war.
Als erstes sollte man das Hauptgebäude des Samtan Art Centers, das frühere multifunktionale Bürogebäude des Unternehmens, besuchen. Bereits der Raum, wo früher die Gemeinschaftsduschen untergebracht waren, beeindruckt durch seine Größe. Früher konnten ihn über 1.000 Bergleute auf einmal nutzen und noch immer hängen Duschvorrichtungen von der Decke, die ihr Wasser gleichzeitig in vier Richtungen versprühten. Heute sind unter ihnen verschiedene Werke zeitgenössischer Kunst und Fotografie ausgestellt. Zudem findet in einem Bereich eine Fotoausstellung statt, die Bilder von Bergleuten zeigt, die bis vor kurzem in anderen Minen Kohle abbauten.
Die Waschräume für Arbeitsschuhe und Arbeitskleidung sowie der Zentralkontrollraum für die Überwachung der gesamten Maschinenanlagen wurden ebenfalls in Galerien umgewandelt. Altes und Neues, Industrieanlagen und Kunstwerke verschmelzen hier zu einer einzigartigen Atmosphäre. Es gibt auch ein Museum, das die glanzvolle Vergangenheit des Samcheok-Kohleunternehmens anhand von echten Bergbauwerkzeugen, Fotos und Materialien aus dieser Zeit zeigt.
Das Rail by Museum befindet sich hinter dem Hauptgebäude. Es ist das Gebäude, in dem der massive 53 Meter hohe Stahlturm steht, der schon vor dem Eingang der Samtan Art Mine zu sehen ist. Im Inneren des Turms sind zwei senkrechte Fördergerüste installiert, mit denen abgebaute Kohle an die Oberfläche gebracht wurde oder Bergleute durch den vertikalen Schacht befördert wurden. Es war möglich, 400 Bergleute auf einmal oder alle vier Minuten 20 Tonnen Kohle zu transportieren.
Der senkrechte Schacht direkt mit einem Durchmesser von 6 Metern, der sich direkt unter den Förderaufzügen befindet, ist so tief, dass seine Tiefe im pechschwarzen Dunkel kaum abzuschätzen ist. Tatsächlich soll sie laut dem Kurator beeindruckende 653 Meter betragen. Der Lotte World Tower in Seoul, das höchste Gebäude Koreas, ist 556 m hoch. Der Shanghai Tower in China ist 632 m hoch, der Abraj Al Bait in Mekka, Saudi-Arabien 601 m und der Eiffelturm in Paris 324 m. Erst durch diesen Vergleich wird die Tiefe des Schachts wirklich greifbar. Stellt man sich vor ihn, kann man förmlich die extreme Hitze und Feuchtigkeit sowie die grenzenlose Angst spüren, die die „Helden der Untergrundindustrie“, die das moderne Korea aufgebaut haben, damals erlebt haben müssen.
Die gut erhaltenen Maschinen und Strukturen wie Grubenwagen, Förderbänder, Stahlgerüste und -seile vermitteln den Besuchern, wie sie früher auf organische Weise gefahren wurden. Dieser Ort, wo man die authentische Atmosphäre der Jeongam-Bergwerk vom Samcheok-Kohleunternehmen am besten spüren kann, ist zu einem riesigen, eindrucksvollen Kunstwerk an sich geworden.
Und bald wird ein weiterer ähnlicher Raum entstehen: der Sabuk-Bergwerk-Kulturpark, der im ehemaligen Sabuk-Bergwerk des Dongwon-Kohleunternehmens errichtet wird. Der Umbau ist derzeit im vollen Gange, um wie geplant im ersten Halbjahr 2025 zu öffnen.
Eine Kohlestraße wird zur Wolkenstraße
Während die Samtan Art Mine und der Sabuk-Bergwerk-Kulturpark Orte sind, an denen man Kunst und Geschichte anhand des historischen Erbes erleben kann, gibt es auch einen Ort, der mit der Schönheit und Größe der Natur beeindruckt: die Straße Untangodo, über die einst Kohle transportiert wurde.
Der Berg Hambaek-san ist ein beliebtes Wintertrekking-Ziel.
Die Hochlandstraße Untangodo weist eine durchschnittliche Höhe von 546 m über dem Meeresspiegel auf. Die höchste Strecke dieser Straße verläuft über den Pass Manhangjae, der 1.330 Meter über dem Meeresspiegel liegt, und wird daher offiziell „Untangodo 1330“ genannt.
Die Untangodo führt durch insgesamt vier Gemeinden, darunter Jeongseon. Die Straße ist über 173 km lang und beginnt im westlich von Jeongseon gelegenen Yeongwol, verläuft über Jeongseon und Taebaek und endet in Samcheok, einer Stadt an der Ostküste. Sie besteht aus insgesamt 9 Etappen, unter denen die durch Jeongseon führende Strecken – Etappe 4 und 5 – den Kern bilden. Das liegt daran, dass hier die Spuren des ehemaligen Kohletransports gut erhalten sind und dass sich die Natur schnell erholt hat, da wegen der Rationalisierungspolitik für die Kohlewirtschaft die Besucherzahl zurückging.
Etappe 4 ist ein 28,76 km langer Abschnitt, der am Bahnhof Yemi in Jeongseon beginnt und bis zum Kkotkkeokkijae (Pass Hwajeollyeong) führt. Dieser Weg, der die Geschichte von „Untan“ (also „Kohletransport“) in sich birgt, ist heute ein Paradies für Trekkingliebhaber. Wenn man vom Time-Capsule-Park aus – dessen große Kiefer auch in dem Film My Sassy Girl (2001) mit den Hauptdarstellern Gianna Jun und Cha Tae-hyun zu sehen ist – auf den Saebijae-Pass hinaufsteigt, macht die herrliche Landschaft ringsum das Trekkingerlebnis noch intensiver. Der Weg dauert im Durchschnitt etwa 9 Stunden und 30 Minuten zu Fuß und steigt kontinuierlich von 403 m auf 1.197 m über dem Meeresspiegel an.
Der Pass Manhangjae auf dem Berg Hambaek-san ist der höchste Punkt Koreas, der mit einem Fahrzeug erreichbar ist. Es ist daher möglich, ohne den Berg mühsam zu besteigen, eine unberührte Schneelandschaft zu genießen.
Die 5. Etappe erstreckt sich von Kkotkkeokkijae bis zum Pass Manhangjae. Der Salamander-Teich, auf den man unmittelbar hinter dem Kkotkkeokkijae stößt, entstand in den 1970er Jahren durch den Absinkprozess des Bodens infolge des Kohleabbaus. Es heißt, dass die Ehefrauen der Bergarbeiter an diesem Teich beteten, damit ihre Männer sicher aus der Minenarbeit zurückkommen. Wenn das Wasser im Teich zurückging, bedeutete dies, dass die Stollen eingestürzt bzw. überflutet waren – ein Omen, das sowohl für die Salamander als auch für die Bergarbeiter Gefahr bedeutete. Die 5. Etappe ist 15,7 km lang und kann auch bei gemütlichem Tempo in etwa 6 Stunden zurückgelegt werden. Sie beginnt auf einer Höhe von 1.067 m und führt bis nach Manhangjae, der mit 1.330 m der höchste mit einem Auto erreichbare Punkt in Korea ist. Der Weg führt auf und ab, während die Höhe allmählich zunimmt. Die Fortbewegung dort kann anstrengend sein, doch der Wanderer wird von der wundervollen Berglandschaft so abgelenkt, dass ihm die Mühe gar nicht so viel ausmacht.
Egal ob Route 4 oder 5, alle Etappen von Untangodo haben eine Gemeinsamkeit: Im Gegensatz zu vielen anderen Wanderrouten weltweit ist das Gelände sanft geneigt und der Weg eben. Das liegt daran, dass Untangodo ursprünglich als Straße für große LKWs zum Transport von Kohle angelegt wurde. Der Weg ist daher nicht nur ein hervorragendes Ziel für Wanderer, sondern auch für Bergläufer und Mountainbiker. Sogar Nordic-Ski-Fahrer und Reisende mit Schlitten kommen hier auf ihre Kosten. Außerdem gibt es unterwegs weite Flächen, die diesen Ort zu einer immer beliebteren Pilgerstätte für Backpacker machen, die mit Zelt und Schlafsack unterwegs sind.
Früher war auch an klaren Tagen Himmel und Erde schwarz von umherfliegendem Kohlestaub, und bei Regen verwandelten sich die Wege buchstäblich in Schlammpfade, die nur mit Gummistiefel zu betreten waren. Aus der früheren Kohletransportstraße ist ein Weg geworden, so schön, dass sich selbst die Wolken daran ergötzen. Besonders im tiefen Winter: Die Wolken schweben über dem Kopf des Wanderers, der dicke Schnee knirscht unter seinen Füßen. Himmel und Erde strahlen im makellosen Weiß.
Vom Aussichtspunkt des Byeongbangchi Skywalk kann man einen spektakulären Blick auf den Fluss Dong-gang genießen, der um eine Halbinsel fließt, die in ihrer Form an die koreanische Halbinsel erinnert.
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