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2020 WINTER

Meditation über einen Bergweg

Die Tempel Seonam-sa und Songgwang-sa, die sich auf der östlichen bzw. westlichen Seite des Gebirges Jogye-san in der Provinz Jeollanam-do befinden, stehen repräsentativ für zwei Hauptordensgemeinschaften des koreanischen Buddhismus. Der Bergpfad, der die beiden Tempel verbindet, zieht Wanderfreunde und buddhistische Gläubige gleichermaßen an.

Der rund 6,5 km lange Weg über den Gulmok-jae, den Hügel zwischen dem Tempel Seonam-sa auf der östlichen Seite des Jogye-san und dem Tempel Songgwang-sa auf der westlichen, entstand auf natürliche Weise, da die Mönche beider Tempel den Hügel ständig überquerten. Heutzutage ist es ein Wanderweg, der jedes Jahr Zehntausende von Besuchern anzieht.

Entlang des Pfades über den Gulmok-jae stehen Jangseung, eine Art Totempfähle. Diese Wächtergottheiten finden sich normalerweise an Dorfeingängen, aber manchmal auch an Bergpfaden, wo sie als Wegweiser dienen.

Gibt man in einer koreanischen Suchmaschine „Songgwang-sa“ ein, erscheint „Weg vom Songgwang-sa zum Seonam-sa“ als möglicher Suchvorschlag. Bei der Eingabe „Seonam-sa“ wird umgekehrt „Weg vom Seonam-sa zum Songgwang-sa“ angezeigt.

Diese automatisch vervollständigten Suchvorschläge, die u. a. von der Häufigkeit der Eingabe abhängig sein sollen, scheinen dringlich darauf hinzuweisen, dass das Gesuchte nicht am gerade eingegebenen Ziel selbst, sondern auf dem Weg dahin zu finden sein wird. Wir befinden uns wieder in der Herbstmitte. Das Navigationsgerät ist an. Von wo aus wollen wir starten?

Trost

Der Jogye-san ist von verschiedenen Laubbaumarten bedeckt, was größtenteils den vom Südmeer her wehenden warm-feuchten Winden zu verdanken ist. Der 6,5km lange, von Ost nach West führende Weg, der diese beiden, an dicht bewaldeten Berghängen gelegenen Tempel von Ost nach West verbindet, ist unser Ziel.

Dass zwei Tempel ähnlicher Größe auf der jeweils gegenüberliegenden Seite eines Berges liegen, ist nichts Ungewöhnliches. Es kommt jedoch selten vor, dass Tempel-Holzbauten wie die des Songgwang-sa und des Seonam-sa die Zeitläufte unbeschädigt überdauern. Auf der Karte erscheint es auf den ersten Blick so, als ob die beiden Tempel den gemeinsamen Weg, der durch den mittleren Teil des Bergs verläuft, gleichsam teilen, wobei der am östlichen Berghang gelegene Seonam-sa näher an der Bergspitze liegt. Stärker angewiesen auf diesen Weg ist der Songgwang-sa, denn für die Bewohner des am Tempeleingang gelegenen Dorfes Oesong bot er eine Abkürzung in die Suncheoner Innenstadt – jedenfalls noch zu Zeiten seltener Busverbindungen. Heute fährt Bus Nr. 111 im 30-Minuten-Takt vom Bahnhof Suncheon zum Songgwang-sa.

Den Bergpfad nahmen früher nur Kräutersammler, brandrodende Kleinbauern oder die Bewohner nahe gelegener Bergdörfer, die es besonders eilig hatten. Erst in den 1980ern, nachdem der Jogye-san zum Provinzpark erklärt worden war, machte er sich einen Namen als Tagesausflugsziel für Bergwanderer. Heute wird er jährlich von 400.000 Menschen besucht. Seonam-sa und Songgwang-sa, die entlang dieser Route liegen, sind keine gewöhnlichen Bergtempel. Beide rühmen sich nicht nur einer langen Geschichte von über 1.000 Jahren, sondern zählen auch zu den wenigen renommierten Tempeln, die alle essentiellen buddhistischen Lehrinstitutionen wie Gangwon (Schule zum Studieren buddhistischer Schriften) und Seonwon (Meditationszentrum) umfassen. Der Songgwang-sa gehört außerdem zu den repräsentativen Drei-Juwelen Tempeln des Landes, die für die drei Juwelen des Buddhismus – Buddha, Dharma und Sangha – stehen, und brachte als Tempel der Sangha die meisten ehrwürdigen Mönche hervor. Seonam-sa wurde für seinen kulturellen Wert hinsichtlich der Fortführung der koreanischen buddhistischen Tradition anerkannt und 2018 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.

Allein schon der Gedanke, dass er den Spuren von Asketen folgt, die – auch wenn sie keine großen Mönche waren – sich von den Beziehungen und Sorgen der profanen Welt trennten und nach neuen Erkenntnissen suchend diesen Weg beschritten, rührt dem Wanderer ans Herz. Seien es nun kränkelnde Reisende, die den Steilweg hochkeuchen und sich am liebsten selbst ihres eigenen beschwerlichen Schattens entledigen würden, oder in Vereinen organisierte alte Wanderhasen, die auf Fragen nach dem Weg schulmeisterlich Auskunft geben, um dann eifrig weiterzustapfen, als hätten sie etwas Dringendes zu erledigen: Die Menschen, die sich auf diesem Weg begegnen, werden für kurze Zeit zu Weggefährten, die ihre persönlichen Sorgen und Nöte beiseite lassen und einander von Trost und Heilung, die der Weg ihnen mitgibt, erzählen. Nichts auf diesem Weg – weder der kleinste Stein noch eine namenlose Wildblume – ist dabei für sie ohne Belang. Doch Trost ist immer etwas Flüchtiges.

Die Brücke Seungseon-gyo führt zum Gelände des Tempels Seonam-sa, eines der sieben koreanischen Bergtempel, die auf der UNESCO-Welterbeliste stehen. In der Mitte des Brückenbogens springt auf der Unterseite das Relief eines Drachenkopfes ins Auge.

Die Brücke Samcheong-gyo im Tempel Songgwang-sa ist zwar kleiner als ihr Gegenstück im Seonam-sa, aber von ganz eigenem Reiz. Hinter Uhwagak, einem auf der Brücke errichteten Pavillon, befindet sich der Vorderhof des Tempels.

Seonam-sa und Songgwang-sa sind keine gewöhnlichen Bergtempel. Beide dieser über tausend Jahre alten Tempel sind renommierte Chongnim (wörtlich: dichter Wald), d. h., sie verfügen über alle essentiellen buddhistischen Lehrinstitutionen wie Gangwon (Schule zum Studieren buddhistischer Schriften) und Seonwon (Meditationszentrum) .

Zwei Steinpagoden aus der Zeit des Vereinigten Silla-Reichs (676-935) nehmen den Hof vor der Daeungjeon, der Haupthalle des Tempels Seonam-sa, ein. Die beiden dreistöckigen Pagoden auf dem zweistufigen Sockel wurden zum Nationalschatz Nr. 395 bestimmt.

Der Songgwang-sa ist neben dem Haein-sa und dem Tondgo-sa einer der Drei Juwelentempel Koreas. Er hat 16 ehrwürdige Mönche hervorgebracht, die Nationale Präzeptoren wurden, weshalb er auch als „Tempel des Sangha-Juwels“ bekannt ist.

Imgyeongdang, links von Uhwagak, bietet einen der schönsten Anblicke im Songgwang-sa. Das Gebäude besitzt große Fenster, die die Aussicht besonders spektakulär machen.

Frieden

Wenn Sie vom Bahnhof Suncheon aus starten, stellt sich die große Frage, zu welchem Tempel man zuerst gehen sollte. Wenn Sie sich für den Seonam-sa entscheiden, werden Sie von dem Pfad, der sich geradlinig in die entgegengesetzte Richtung des reißenden Bachlaufs erstreckt, und von der frischen Energie der kräftig in die Höhe geschossenen Hinoki-Scheinzypressen, die diesen Pfad säumen, überwältigt sein. Und wenn dann kurz darauf die Steinbrücke Seungseon-gyo, die den Bach wie ein Regenbogen einrahmt, in Sicht kommt, haben Sie schon das „Reine Land“ betreten. Im Frühling können Sie die prächtigen Pflaumenblüten unterschiedlichster Form und Farbe entlang der Steinmauer hinter der Haupthalle des Tempels bewundern. Diese an heimischen, über 400 Jahre alten Pflaumenbäumen wachsenden Blüten rühmen sich als „alte Pflaumenblüten von Seonam-sa“. Sollten Sie es nicht zur Pflaumenblüte schaffen, warten etwas später liebliche Kirschblüten auf Sie.

Am Tempeleingangstor Iljumun empfing meine Gefährten und mich der zarte Duft der Süßen Duftblüten, der sich 1.000-Li (ca. 400 km) weit verbreiten soll. Die immergrüne Süße Duftblüte ist ein Baum, der der Legende nach im Reich des Mondes steht. Der Hof war im Herbst bedeckt mit ihren kleinen weißen Blüten. Der Seonam-sa ist eine Tempelanlage, bei der das hohe Tor, der Teich und die bescheidenen Gebäude fein versetzt zwischen den verschiedenen Blütenbäumen angeordnet sind und zusammen quasi ein kleines Dorf bilden.

Das Gegenstück der Seungseon-gyo ist die Brücke Samcheong-gyo im Tempel Songgwang-sa. Vielleicht dachte man, dass noch ein gewisses Etwas fehle, weshalb auf der Brücke der Pavillon Uhwa-gak (uhwa: federleicht werden) errichtet wurde, dessen Name die Besucher ermahnt, mit leichtem Herzen vor Buddha zu erscheinen. Es ist ein ganz besonderer Ort und Platz zum Ausruhen, der sich so nur im Tal des Songgwang-sa findet. Bunt gefärbte Blätter, die tief in den Bergen verborgen vor fremden Blicken einsam gewachsen sind, wurden vom Bach fortgetragen, um sich schließlich unterhalb des Pavillons zu sammeln. Das Wasser wirkt kalt. Im Songgwang-sa bildet der breite Hof vor der Haupthalle den Mittelpunkt.

Wenn Sie vom Seonam-sa losgegangen sind und gegen Sonnenuntergang im Songgwang-sa ankommen, sollten Sie einmal von einer möglichst hohen Stelle auf den Tempel hinunterblicken. Die angenehm ruhige, einsame Stille des Moments, wenn sich in der Dämmerung das Abendrot über die Hügel auf den im Dunkeln liegenden Ziegeldächern des Tempels ausbreitet, wird Ihnen lange in Erinnerung bleiben. Der dezent-zurückhaltende Grundriss ist das Ergebnis der nach dem Ende des Koreakriegs (1950-1953), als der Tempel in Schutt und Asche lag, durchgeführten Restaurationsarbeiten.

Welchen Tempel Sie auch als Startpunkt nehmen mögen: Versuchen Sie, dort so viel Zeit wie möglich zu verbringen. Denn auch Frieden ist etwas Flüchtiges.

Jenseits des Gipfels des Gulmok-jae bietet auf dem Weg den Hügel hinunter ein 40 Jahre altes Gerstenreis-Restaurant einen willkommenen Anblick. Gerstenreis vermischt mit gewürzten Gemüsen der Saison und roter Peperonipaste gehört zu den besonderen Freuden auf diesem Wanderweg.

In der Einsiedelei Buril-am auf dem Hügel hinter dem Songgwang-sa lebte der Ehrwürdige Beopjeong (1932-2010), der für seinen aufrechten Charakter und seine Selbstdisziplin verehrt wird, von Mitte der 1970er bis in die frühen 1990er Jahre. Hier verfasste er seine berühmte Essay-Sammlung Musoyu (Nicht-Besitz).

Gerstenreisrestaurant Gulmokjae

Bricht man am Seonamsa-Tempel auf, geht dann durch den Hinoki-Scheinzypressenwald und vorbei an dem Felsen, auf dem einst ein Tiger, das Kinn auf die Pfote gestützt, gesessen und Herz und Gedanken der Vorbeigehenden gelesen haben soll, ist der erste Hügel, zu dem man kommt, der „Keun Gulmok-jae“ (Großer Gulmok-Hügel). Entlang dieser Route hat man die Spitze des Jogye-san auf seiner nördlichen Seite. Der Aufstieg ist ziemlich steil, aber hat man den Hügel erst einmal hinter sich, wird das Terrain wieder flacher.

Kommt man aus entgegengesetzter Richtung vom Songgwang-sa, führt der Weg die meiste Zeit durchs Tal am Bach entlang, wo man zunächst eine stabile Holzbrücke überquert. Nachdem man dann den legendären Felsen, den ein buddhistischer Mönch mit seiner spirituellen Kraft gestoppt haben soll, als er heruntergerollt wurde, um den Weg zu versperren, hinter sich gelassen hat, trifft man auf einen Markierungsstein mit der Gravur „Gulmok-jae“ (Songgwang-sa). Dieser Gulmok-jae, genauer „Jageun Gulmok-jae“ (Kleiner Gulmok-hügel bei Songgwang-sa), den man hinaufgehen muss, wenn man von Songgwang-sa aus in Richtung Seonam-sa wandert, bildet zusammen mit dem Großen Gulmok-jae die Wasserscheide des Jogye-san, die Teil des Honam-Gebirges ist, das sich von der Jeollabukdo- über die Jeollanamdo-Provinz erstreckt. Vom östlichen Hang fließt das Wasser in Richtung der Suncheon-Bucht, vom westlichen Hang ins Meer vor der Stadt Beolgyo-eup im Kreis Boseong-gun.

Geht man den abwärts führenden Weg hinter dem Hügel hinab, stößt man unerwartet auf ein Gerstenreis-Restaurant. Schwarzem Roggenbrot in Europa und grobkörnigem Gerstenreis in Korea haften dieselben Status-Assoziationen an: Während früher die wenigen Wohlhabenden weißes Brot aus Weizen bzw. weißen Reis aßen, galten Roggenbrot und Gerstenreis als Grundnahrungsmittel der Armen, das sie vor dem Hungertod rettete. Heutzutage wird Gerste als Gesundheitskost vermarktet, die nostalgische Erinnerungen hervorruft.

Einmal eine Art Schutzhütte für verirrte Bergwanderer, die in einem Gebiet, wo einst brandrodende Kleinbauern lebten, errichtet wurde, geht heute fast niemand mehr an diesem Restaurant vorbei, es ist vielmehr fast fester Bestandteil eines Reisepakets für Wandertouren in den Bergen Jogye-san. Der in einem gusseisernen Kessel gedämpfte Gerstenreis wird mit Wildgemüse-Beilagen aus der Umgebung und im eigenen Küchengarten angebauten Gemüsen serviert. Dazu gibt es eine auf Sojabohnenpastenbasis zubereitete Suppe mit getrockneten Rettichblättern – eine bescheidene Mahlzeit, aber für jemanden, der an die zwei Stunden zu diesem 600m über dem Meeresspiegel liegenden Ort gewandert sind, ein wahres Festmahl. Es gibt auch Besucher, die extra den 20-minütigen Aufstieg von Jangan-eup aus auf sich nehmen, um hier zu essen. Tatsächlich ist es am schnellsten, mit dem Wagen durch die sich schlängelnden Gässchen hochzufahren, am Ende des Städtchens zu parken und von dort aus den 20-minütigen Aufstieg zum Restaurant in Angriff zu nehmen.

Der Gerstenreis-Geschmack ist schwer zu beschreiben, aber jeder leert im Nu seine Schüssel, weshalb das Restaurant auch als „leckerstes seiner Art“ gepriesen wird. Doch egal, ob früher oder heute: Das Gefühl des Sattseins nach dieser Mahlzeit ist nicht gerade angenehm. Aber nicht, weil man das Gefühl hat, mehr als sonst gegessen zu haben, oder wegen der raschen Verdauung kurz darauf schon wieder hungrig wird. Vielmehr rührt es vom Sinnieren darüber, ob man nicht bereits „zum Hungerstillen dressiert“ ist.

Stadtfestung Nagan und Dorf

Offene Filmkulisse Suncheon

Nationalpark Suncheon-Bucht

Naturreservat Suncheon-Bucht

Geschichte

Allen Wegen haftet etwas Vergängliches an, so auch dem Trost, dem Frieden und dem Gefühl des Sattseins. Die Sage von dem Felsen, auf dem einst ein Tiger gesessen und Herz und Geist der Wanderer unter die Lupe genommen haben soll, und die Legende von dem Mönch, der allein mit seiner spirituellen Kraft einen herunterrollenden Felsen gestoppt haben soll, sind mehr als nur einfach Erzählungen. In ihnen verbirgt sich in komprimierter Form die Geschichte des Weges über Gulmok-jae, die über mehr als tausend Jahre unzählige Male abgebrochen und wieder fortgesetzt worden sein wird.

In der koreanischen Gegenwartsgeschichte wird der Begriff „Ppalchisan“ meistens für Angehörige der kommunistischen Partisanen-Einheiten verwendet, die sich während des Koreakriegs im Süden des Landes formiert hatten. Jogye-san war eine wichtige Passage zum Gebirge Jiri-san, wo sich ihr Hauptquartier befand, und gleichzeitig ein wichtiger Stützpunkt. Das nicht weit weg vom Songgwang-sa gelegene Tal Hongol war eins der Verstecke der Partisanen, wo bis zum Schluss heftige Kämpfe ausgetragen wurden, denen nicht wenige ältere Menschen, die sich zu der Zeit im Songgwang-sa aufhielten, zum Opfer fielen. Dieser Weg, auf dem die Menschen von damals aus Überzeugung und schierem Überlebenswillen ihre Feinde jagten und gejagt wurden, ist Teil der hier vorgestellten Route.

Das Vorkommnis, das einen noch fundamentaleren und dauerhafteren Konflikt als der Koreakrieg ausgelöst hat, folgte allerdings später. 1954, kurz nach Kriegsende, forderte der damalige Präsident Rhee Syng-man verheiratete Mönche mit der Begründung, dass sie „Überbleibsel“ der japanischen Kolonialherrschaft seien, zum Ablegen der Kutte auf. Im koreanischen Buddhismus gab es zwar keine Tradition, die den Mönchen das Heiraten erlaubt hätte, aber Ende der Joseon-Zeit (1392-1910) wurde es allgemein üblich, Laien, die sich um die im Zuge der staatlichen Unterdrückung des Buddhismus verschlechterten hauswirtschaftlichen Angelegenheiten des Tempels kümmerten, als Mönche anzusehen. Durch den Einfluss des japanischen Buddhismus, der nach der Meiji-Restauration dem Beispiel protestantischer Priester folgend Mönchen das Heiraten erlaubte, gab es in Korea kurz vor der Befreiung von der Kolonialherrschaft viel mehr verheiratete als zölibatäre Mönche.

Der koreanische Mönch und Dichter Han Yong-un (1879-1944) schrieb bereits in seinem Buch Zur Reform des Buddhismus in Joseon (1913), dass es „Unsinn sei, zu behaupten, dass ein mit einem physischen Körper Geborener keinen Appetit auf Essen oder Geschlechtsverkehr verspüre“, und forderte, dass jeder Mönch frei für sich entscheiden sollte.

Diese Einmischung der staatlichen Gewalt in eine Angelegenheit, die die buddhistische Gemeinschaft unter sich hätte klären müssen, brachte schwerwiegendere Schäden für die Tempelgemeinschaften als die im Zuge des Krieges erlittenen Zerstörungen mit sich. Der Disput endete schließlich 1969 mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes, das alle Autorität ausschließlich in der Hand ordinierter, zölibatärer Mönche liege. Aus Protest gegen diesen Beschluss wurde der Taego-Orden des koreanischen Buddhismus gegründet, dessen Haupttempel der Seonam-sa ist. Der Tempel Seonam-sa ist also die Geburtsstätte des Taego-Ordens und Songgwang-sa die des Jogye-Ordens der zölibatären Mönche. Damit endeten die Zeiten, als die Mönche dieser beiden Tempel auf der Suche nach Lehrmeistern und Glaubensbrüdern einander aufsuchten, voneinander lernten und Austausch pflegten. Der Streit zwischen den beiden Orden um das Eigentumsrecht am Seonam-sa ist bis heute nicht beendet.

Schicksalhafte Begegnung

Die Morgenandacht im Songgwang-sa hat etwas Ehrfurchtsgebietendes und Feierlich-Getragenes. Ihre erhabenen Klänge und Musikalität verwandelte der Gugak-Musiker (Gugak: traditionelle koreanische Musik) Kim Young-dong in Meditationsmusik. Den Klängen der vier Percussion-Instrumente (Tempeltrommel Beopgo, Tempelglocke Beomjong, Fischgong Mogeo und wolkenförmiger Metallgong Unpan) des Songgwang-sa sowie den Rezitationen des Gebets zu Ehren Buddhas, des Bittgebets und der Herz-Sutra fügte Kim die Klänge der Daegeum (große Bambusquerflöte) und der Sogeum (kleine Bambusquerflöte) sowie Synthesizer-Musik hinzu. Resultat war die LP The Buddhist Meditation Music of Korea, 禪 (Die Buddhistische Meditationsmusik Koreas, Zen. 1988). Jedem, der gerne Kirchenmusik wie Gregorianischen Chorälen lauscht, sei der letzte Track The Prajñaˉpaˉraˉmita Sutra (Die Herz-Sutra) empfohlen. Sie ist auf völlig andere Art und Weise bewegend als herkömmliche Meditationsmusik im New Age Stil. Daneben gibt es noch ein CD-Album mit Klängen vom Songgwang-sa, das der Toningenieur Hwang Byeong-joon 2010 herausgab. Es unterscheidet sich von Kims Werk dadurch, dass alle Naturgeräusche wie Wasser- oder Windesrauschen völlig ausgespart wurden, um die reinen Klänge und ihr Nachhallen in einem alten Holzgebäude einzufangen. Während der Charme von Kims Musik darin besteht, sich auf der Suche nach den versteckten Klängen der Natur in eine neue Welt davongetragen zu fühlen, entführt Hwangs Musik den Hörer in eine spurlos verschwindende Zeit.

Kim erzählte, dass sein Treffen mit dem Ehrwürdigen Beopjeong (1932-2010) in Buril-am, einer der Klausen des Songgwang-sa, ihn zu diesem Musikalbum inspirierte. Der Ehrwürdige Beopjeong wurde für seine Philosophie des „Nicht-Besitz“ und sein in diesem Sinne geführtes Leben von vielen unabhängig von der Religionszugehörigkeit respektiert. Die chinesischen Zeichen für „Nicht-Besitz“ sind 無所有, wobei 有 für „vorhanden sein“ das wesentlichste Sem, also das kleinste bedeutungstragende Element, dieses Begriffs ist. Es entwickelte sich aus einem Zeichen der alten chinesischen Orakel-Schriftzeichen in Form einer Hand, die ein Stück Fleisch hält. 2020 jährte sich der Tod des Ehrwürdigen Beopjeong zum zehnten Mal. Vor Buril-am steht noch ein Stuhl, den der Mönch eigenhändig aus Eichenholz gefertigt haben soll. Darauf ruht an seiner Stelle das trockene Blatt einer Kobushi-Magnolie. Bei diesem Anblick hätte er wohl ausgerufen: „Liebes Blatt, ruh dich aus! Wie mühsam es für dich gewesen sein muss, am Baum zu hängen!“ 

Lee Chang-guyDichter und Literaturkritiker
Ahn Hong-beomFotos

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