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2016 SUMMER

Regisseur Lee Joon-ik:

Leidenschaft für Geschichte, ausgedrückt durch Filme

Regisseur Lee Joon-ik hat zweifelsohne seinen Teil an kommerziellem Erfolg eingeheimst, angefangen mitseinem Rekordbrecher The King and the Clown (2005) bis hin zu jüngeren Werken wie The Throne (2015). Aber esist offensichtlich, dass seine Leidenschaft fürs Filmemachen weit über reine Kassenerlöse hinausgeht. Währendseiner gesamten Laufbahn hat er sich lange und intensiv mit der Frage beschäftigt, was für Geschichten ererzählen möchte, und dadurch zum Diskurs über Kultur in der koreanischen Gesellschaft beigetragen.

Regisseur Lee Joon-ik hat nach seinem Debüt 1993 11 Filme gedreht. Die Poster, diedie Wand hinter seinem Schreibtisch in seinem Büro in Chungmu-ro, dem einstigen,in der Seouler Innenstadt gelegenen Hub der koreanischen Filmindustrie, zieren,geben einen komprimierten Überblick über sein Schaffen. Von links nach rechts zusehen sind die Poster für The Throne (2015), Dong-ju: The Portrait of a Poet (2016),The King and the Clown (2005), Radio Star (2006) und Hope (2013).

Anfang 2016 hat Lee Joon-iks Film Dong-ju: The Portraitof a Poet (Dong-ju: Das Porträt eines Dichters) eine ganzbesondere Art von Erfolg verzeichnet. Dieses biographischeWerk, das als unabhängiger Film mit einem Budget von nurumgerechnet 440.000 Dollar gedreht wurde und das Leben vonYun Dong-ju (1917-1945), einem der beliebtesten Dichter Koreas,behandelt, wurde von Kritikern und Publikum gleichermaßen enthusiastischaufgenommen. Der Schwarz-Weiß-Film erkundet, wieYun während einer der dunkelsten Abschnitte der koreanischenGeschichte zum Erwachsenen heranwächst. Das Werk wirft einenunerschrockenen Blick auf den tragischen Tod Yuns, der in Japangegen Ende der Kolonialzeit (1915-1945) als Gedankenverbrecherverhaftet wird, und zelebriert gleichzeitig Yuns traurig-schöneGedichte, die den ganzen Film über eingestreut werden.

Dank reger Mundpropaganda hatte Dong-ju eine ungewöhnlichlange Laufzeit für eine Indie-Produktion, mehr als 1,1 Mio. Eintrittskartenwurden verkauft. Auch international erhielt er einige Publicity:Im Frühling 2016 wurde er im Rahmen einer zielgerichteten Veröffentlichungin den USA herausgebracht und lief auch beim NewYork Asian Film Festival. Im Herbst soll Kinopremiere in Japan sein,wo Yun nicht wenige Fans hat.

Wir haben Regisseur Lee in seinem Büro in Chungmu-ro aufgesucht,also in dem Stadtbezirk Seouls, der in den vergangenenJahrzehnten der Dreh- und Angelpunkt der koreanischen Filmindustriewar.

Historische Fiktion und Hollywood-Techniken

Eine Szene ausDong-ju. RegisseurLee Joon-ik sagt,dass er sich für eineSchwarz-Weiß-Produktionentschied,um Yun Dong-ju, vondem er nur Schwarz-Weiß-Fotos gesehenhatte, so einfach undehrlich wie möglich zuporträtieren.

Darcy Paquet Aus Ihrer Filmographie geht hervor, dass Sie starkan Geschichte interessiert sind. Was zieht Sie zu Filmen, die in derVergangenheit spielen?

Lee Joon-ik Ich bin quasi mit Hollywood-Filmen aufgewachsenund habe mir in meinen jungen Jahren auch viele japanische Klassikerangesehen. Durch europäische Filme und Hollywood-Produktionenlernt man etwas über die Geschichte Europas. Als ichim Filmimport-Geschäft arbeitete, wurde mir bewusst, dass Menschenaus anderen Ländern sehr wenig über Korea wissen. Siewaren über Japan und China und die Geschichte dieser beidenLänder informiert, hatten aber nie ein Kulturprodukt zu Gesichtbekommen, das ihr Interesse an Korea geweckt hätte.

Eine Motivationfürs Filmemachen war also, diese Lücke zu füllen, und derFrage nachzugehen, was Korea von China oder Japan unterscheidet.So bin ich dazu gekommen, 2003 Once Upon a Time in a Battlefield(Hwangsanbeol auf Koreanisch) zu produzieren.

Die Kreuzzügein Europa sind allgemein bekannt, aber tatsächlich hatten im7. Jh der Krieg zwischen den drei Königreichen Silla, Baekje undGoguryeo und die Entscheidungsschlacht Schlacht von Hwangsanbeoleine ähnliche Größenordnung. Während dieses 30-jährigenKriegs segelte eine gut 130.000 Mann starke Armee aus Tang-Chinanach Silla, um das 50.000 Mann starke Silla-Heer zu unterstützen.Wenn ich den Film jetzt machen würde, würde ich wahrscheinlichalles eine Nummer größer aufziehen, aber damals beschlossenwir, uns der Thematik mit Komödienkomponenten zu nähern,um besser bei den Zuschauern anzukommen. Insgesamt hat dasauch ganz gut geklappt. Alles in allem waren Art des Humors undInhalt des Films aber ziemlich regional geprägt, ich denke da z.B.an den Dialektgebrauch. Deshalb beschloss ich danach, mich aneinem universaler ansprechenden Stoff zu versuchen. Resultat warThe King and the Clown. Als Quelle diente zwar das TheaterstückYi von Kim Tae-woong, aber ich habe viel Zeit damit verbracht, dasKonzept der Clown-Figur zu erforschen. Es gibt den Pierrot in derCommedia dell'Arte (Stehgreiftheater), und auch bei Shakespeareoder in Tarkowskis Film Andrej Rubljow (1966) spielen Clowns eineRolle. Ich habe lange über die Unterschiede zwischen den Clownsbzw. Hofnarren in Europa und denen des Joseon-Reichs (1392-1910) nachgedacht. Letztendlich denke ich, dass die Clowns derJoseon-Kultur weniger Kontrastfiguren oder Vehikel sind, die dieGedanken des Autors zum Ausdruck bringen, als Repräsentantender Masse. Sie vertreten ihre eigene Meinung sehr vehement undihre Beziehung zu mächtigen Personen wie dem König ist intensiver.Mit diesem Konzept im Hinterkopf habe ich den Film gedrehtund er war nicht nur in Korea ein Erfolg, sondern vermochte auchdas ausländische Publikum anzusprechen.

DP Ich bin ganz wie Sie der Meinung, dass die koreanische Kulturihre eigenen distinktiven Züge besitzt, die sie deutlich von der KulturJapans oder Chinas abhebt. Worauf beruht Ihrer Meinung nachdiese Einzigartigkeit?

LJ Während seiner ganzen Geschichte wurde Korea auf unterschiedlichsteWeise von seinen Nachbarländern beeinflusst. Bis insfrühe 19. Jh war der Einfluss Chinas extrem stark, ab ungefähr 1900war es dann Japan, das Korea beeinflusste. Nach dem Ende derjapanischen Kolonialherrschaft 1945 und dem Koreakrieg (1950-1953) machte sich der starke Einfluss der USA breit und die kulturellenEinflüsse von drei Großmächten vermischten sich im Laufeder Zeit. Darüber hinaus ziehen künstlerisch Schaffende einenGroßteil ihrer Energie aus starken Gefühlen. Und weil die Koreanereine so harte Geschichte zu durchleiden hatten, brodelten in ihremInneren gleichermaßen immer Drangsal, Schmerz und Groll.

Was Filmproduktionen angeht, so sind in den USA, Japan und Chinaoft Literatur und Romane Inspirationsquellen, aber in der koreanischenKultur gibt es weniger fiktionale Geschichten, die man adaptierenkönnte. Daher sind koreanische Filmemacher gezwungen, originäreGeschichten zu entwickeln. Das machen sie oft, indem sie dieEmotionen ihrer schweren Vergangenheitmit Hollywood-Produktionstechniken kombinieren,sodass dann etwas Neues entsteht.

Ein Low-Budget-Schwarzweißfilm

DP Wie hat es mit dem Film Dong-ju: ThePortrait of a Poet begonnen?

LJ In den späten 1990er Jahren habe icheinen Film mit dem Titel The Anarchistsproduziert, der im Shanghai der japanischenBesatzungszeit spielt. Das Drehbuchstammte von Park Chan-wook. Währendder Recherchen und Vorbereitungen fürden Film habe ich mir viele Gedanken darübergemacht, wie ich diese Periode aufeiner großen Leinwand darstellen sollte. Der Fim war letzten Endeskein Erfolg und ich habe mit anderen Projekten begonnen.2011 war ich zu einem Filmfestival in Kyoto eingeladen, das historischenFilmen gewidmet war. Ich zeigte meine Filme BattlefieldHeroes (Pyeongyangseong auf Koreanisch) und Blades of Blood.Und weil ich gerade da war, beschloss ich, die Doshisha Universitätzu besuchen, die letzte Hochschule, auf die Yun Dong-ju ging. Wirschauten uns die Gedicht-Tafeln an, die zu seinen Ehren errichtetworden waren, und wir spazierten auch die Brücke entlang, die inJeong Ji-yongs Gedicht Apcheon (Kamogawa) vorkommt.

Einige Jahre später saß ich dann auf der Heimreise von einemWorkshop des Interessenverbands der Koreanischen Regisseureim Zug neben dem Regisseur Shin Yeon-shick. Er ist ein Spezialistfür Low-Budget-Filme, ich selbst hatte bis dahin nur kommerzielleFilme gedreht. Ich erzählte ihm, dass ich mit dem Gedankenspielte, einen Film über Yun Dong-ju zu drehen, dass ein kommerziellerFilm aber kaum möglich wäre. Diese historische Äranachzuerschaffen, kostet viel Geld und Investoren finanzieren soeinen Film nicht, wenn sie nicht sicher sind, dass das Budget wiedereingespielt werden kann. Ich fragte ihn, ob er ein Drehbuchfür eine Low-Budget-Produktion schreiben könnte. Er war vonder Idee begeistert, weshalb ich ihm ein Zielbudget von 250 MioWon ($220.000) nannte und vorschlug, Yuns Beziehung zu seinemCousin Song Mong-gyu zu thematisieren. So begann alles.

DP Wie würden Sie den Dichter Yun Dong-ju Menschen aus anderenLändern, die ihn nicht kennen, vorstellen?

LJ Yuns Werk wurde zwar in mehrere Sprachen übersetzt und veröffentlicht,aber er ist keine internationale Berühmtheit, weshalbseine Gedichte nur wenigen bekannt sein dürften. Generell sindnur sehr wenige koreanische Dichter international bekannt, ausgenommenvielleicht Ko Un. Yun Dong-jus Poesie an sich ist vonBedeutung, aber sein Leben und sein Tod haben nicht wenigerBedeutung. Die Kolonialisierung Koreas durch Japan ist außerhalbAsiens weniger bekannt. Aber meiner Meinung nach ist derTod des Dichters Yun Dong-ju, der in einem Gefängnis in Fukuokaan den Folgen medizinischer Experimente starb, nicht nur Teil derGeschichte Koreas, sondern Teil der Weltgeschichte. Es gab jemanden,der zu diesen Experimenten anstiftete, nämlich GeneralarztShiro Ishii, der die Einheit 731 in der Kwantung-Armee schuf und inder Mandschurei medizinische Experimente an 200.000 Menschendurchführte. Er war auch verantwortlich für die Experimente imFukuoka-Gefängnis, die dort an 1.800 Menschen durchgeführt wurden,darunter an Yun Dong-ju und Song Mong-gyu. Es steht außerFrage, dass Shiro Ishii genau wie diejenigen, die für die medizinischenExperimente der Nazis verantwortlich waren, zur Rechenschafthätte gezogen werden müssen, aber er lebte ein bequemesLeben und starb in seinen 90ern an Altersschwäche. Der Film handeltdaher nicht nur vom Leben eines Dichters, sondern auch vomGewissen einer bestimmten geschichtlichen Ära.

DP Was haben die beiden Protagonisten des Films, also Yun Dongjuund Song Mong-gyu, gemeinsam und worin unterscheiden siesich?

LJ Sie wurden an ein und demselben Ort geboren und starben anein und demselben Ort. Sie waren Cousins, enge Freunde und Konkurrenten.Yun Dong-jus Poesie entstand nicht auf die Weise, dasser alleine in seinem Zimmer saß und schrieb. In seiner Ausdrucksweiseist der Einfluss der Menschen zu spüren, die ihn psychologischund emotional am stärksten beeinflussten. Allen voran wares aber der Abschnitt der Geschichte, in der er lebte, der den größtenEinfluss auf ihn ausübte. Man kann allerdings auch argumentieren,dass – nachdem die beiden ihre Heimat verlassen und sichauf ihre Reise gemacht hatten – es Song Mong-gyu war, der Yun amnächsten stand und sein Werk am nachhaltigsten beeinflusste. EinDichter bringt den Schmerz einer bestimmten Zeit zum Ausdruck.Aber dieser Schmerz manifestierte sich auch in ihrer Freundschaft:in Minderwertigkeitsgefühlen oder Antagonismus, oder manchmalauch in dem Sinne, dass der eine das Spiegelbild des anderen war.

„Die Kolonialisierung Koreas durch Japan ist außerhalb Asiens weniger bekannt. Aber meinerMeinung nach ist der Tod des Dichters Yun Dong-ju, der in einem Gefängnis in Fukuoka an den Folgenmedizinischer Experimente starb, nicht nur Teil der Geschichte Koreas, sondern Teil der Weltgeschichte.“

Auf die Moderne zurückblicken

DP Heutzutage gibt eine ganze Reihe von koreanischen Filmen,die in der Kolonialzeit spielen. In der Vergangenheit scheinen die1 Eine Szene ausDong-ju. RegisseurLee Joon-ik sagt,dass er sich für eineSchwarz-Weiß-Produktionentschied,um Yun Dong-ju, vondem er nur Schwarz-Weiß-Fotos gesehenhatte, so einfach undehrlich wie möglich zuporträtieren.2 Regisseur Lee Joonik(dritter von links)beim Plaudern mitden Schauspielernwährend der Dreharbeitenzu Dong-ju:The Portrait of a Poet.1Koreanische Kultur und Kunst 43Regisseure diese Periode eher bewusst gemieden zu haben undnur sehr wenige Filme waren eine kommerzieller Erfolg. Was hatsich Ihrer Meinung nach geändert?

LJ In der Vergangenheit wurde die Kolonialzeit von den Filmemachernweitgehend gemieden, weil es eine Zeit der Verzweiflung war.Wenn die Leute Geld fürs Kino ausgeben, dann wollen sie eine ArtGefühl des Triumphes erleben. Aber das ist mit Filmen, die in derKolonialzeit spielen, schwer zu erreichen. In den Zeiten, in denenKorea sich durchkämpfen musste und das Leben der Menschenhart war, waren Geschichten über Misserfolge nicht willkommen. Inwirtschaftlicher Hinsicht hat sich Korea jetzt aber stark entwickelt,weshalb es meiner Meinung nach möglich scheint, mit größeremSelbstvertrauen Geschichten über die Fehlschläge in unserer Vergangenheitzu erzählen. Ein gutes Beispiel dafür ist Choi DonghoonsSpionage-Thriller Assassination (2015). Der Film spielt inden dunklen Zeiten der japanischen Kolonialherrschaft, aber dieGeschichte betont auch den persönlichen Triumph, so etwa, wenndie Widerstandskämpferin Ahn Ok-yu, gespielt von Jun Ji-hyun,ihre Mission erfolgreich erledigt. Ich glaube, diese Aspekte machtenden Film erfolgreich. In gewissem Sinne haben solche Erfolgeden koreanischen Filmemachern neue Möglichkeiten aufgezeigt,die Geschichten aus der japanischen Kolonialzeit zu verfilmen.

DP Woran arbeiten Sie gerade? Gibt es ein weiteres Filmprojekt?

LJ Ich arbeite an zwei, drei Drehbüchern. Aber ich habe einigeschwierige Themen gewählt, sodass ich im Moment vor einigenHerausforderungen stehe. Was ich am liebsten machen möchte, istein Film, der sich mit Fragen der koreanischen Moderne beschäftigt.Im Falle der USA oder Japans war das Kommen der Moderneeine recht unkomplizierte Sache. Aber das gilt überhaupt nichtfür Korea. Im Rahmen der Weltgeschichte wird es gewöhnlich soerklärt, dass Japan Korea kolonialisierte und dort das moderneZeitalter auf den Weg brachte. Ich halte jedoch diese Sichtweisefür problematisch. Ich persönlich denke, dass die Moderne ansetzte,als die Gesellschaft der Joseon-Zeit auf den Katholizismus traf.Dadurch entstand die sog. Seohak-Bewegung, wörtlich die „Bewegungder Westlichen Lehre“, wodurch westliches Gedankengut undWissenschaft in die koreanische Gesellschaft Einzug hielten. Letztendlichformierte sich als Gegenbewegung die Donghak-Bewegungder „Östlichen Lehre“ und in vieler Hinsicht führte der Konfliktzwischen diesen beiden Bewegungen zur Kolonialisierung Koreasdurch Japan. Meiner Meinung nach könnte ein Film, der der Entwicklungvon Seohak und später Donghak nachspürt, die zum Verlustder Souveränität Koreas führte, Interessantes über das Wesender Moderne in Korea zum Ausdruck bringen. Aber vielleicht bin ichzu ehrgeizig, denn all dies in einem einzigen Drehbuch zu diskutieren,wäre vielleicht zu ambitioniert.

Regisseur Lee Joonik(dritter von links)beim Plaudern mitden Schauspielernwährend der Dreharbeitenzu Dong-ju:The Portrait of a Poet.

Darcy Paquet Filmkritiker

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