Oh Kyung-ah brach ihre Karriere beim Rundfunk ab, um in Großbritannien Landschaftsarchitektur und Gartengestaltung zu studieren. Es war eine Entscheidung für ein zweites, neues Leben, das ihr Gesundheit und Glück bringen sollte. Heute empfindet sie es als äußerst bereichernd, farbenfrohe Oasen, die die Menschen geistig zur Ruhe kommen lassen, in die Hochhauswüsten der Städte zu bringen.
Gartendesignerin Oh Kyung-ah blickt aus dem Oh Kyung-ah Institut für Gartengestaltung, das sich in einem Anbau ihres Hauses in Sokcho, Provinz Gangwon-do, befindet.
„Kaum war ich einen Monat weg, herrscht schon überall Chaos. Oh je!“ Die Gartendesignerin Oh Kyung-ah macht sich nach ihrer Rückkehr von einem längeren Besuch ihrer Tochter, die in Kenia arbeitet, sofort an die Arbeit. In ihrem etwa 660m2 großen Garten, der ihr Haus in Sokcho, einer an der Ostküste gelegenen Hafenstadt in der Provinz Gangwon-do, umgibt, wachsen an die 100 Pflanzenarten. Auf meine Frage, um was für Pflanzen es sich handele, spult sie mühelos die koreanischen Namen und auch fremd klingende Namen ab.
Ein Anbau des Hauses dient als Unterrichtsraum des Oh Kyung-ah Institut für Gartengestaltung. Hier gibt sie von Zeit zu Zeit Kurse in Gartengestaltung und -kultur. Ihre Arbeit besteht aber nicht nur darin, Laien zu diesem Hobby zu ermutigen. Sie arbeitet auch an Großprojekten wie der Gestaltung des Seed Bank Garden auf dem Gelände der Internationalen Gartenbauausstellung 2013 in der Suncheon-Bucht oder jüngst an der Gestaltung des Dachgartens eines Einkaufskomplexes in Bucheon, Provinz Gyeonggi-do.
In diesem Anbau gibt Oh von Zeit zu Zeit Kurse in Gartengestaltung und -kultur.
Arbeit, die gesund und glücklich macht
Lim Hee-yun: Sie haben also früher Skripte für Radiosendungen verfasst?
Oh Kyung-ah: Ich habe an der Universität Französistik studiert und gleich nach dem Abschluss für den Hörfunk zu arbeiten begonnen. Abgesehen vom Mutterschaftsurlaub habe ich von 1989 bis 2005 ununterbrochen gearbeitet.
Lim: 2003 wurden Sie bei den Entertainment Awards des Rundfunksenders MBC sogar mit dem „Drehbuchautor-Preis des Jahres“ ausgezeichnet. Was hat Sie dazu gebracht, sich auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere urplötzlich dem Gartendesign zuzuwenden?
Oh: Ich musste Tag für Tag an die DIN A4-Seiten Sendeskript verfassen, was mich geistig völlig ausgelaugt hat. Auch meine Gesundheit hatte sich verschlechtert, sodass ich häufig unter kleineren Beschwerden wie Nasennebenhöhlenentzündungen zu leiden hatte. Als ich dann eines Tages über die Mapo-Brücke fuhr, sah ich den dunklen, smogverhangenen Himmel über dem Stadtteil Yeouido. In dem Moment dachte ich, dass es schön wäre, einer Arbeit nachzugehen, mit der ich bis ins Alter hinein ein gesünderes und glücklicheres Leben führen könnte.
Lim: Das brachte Sie dann zur Gartenarbeit?
Oh: Ja. Ich bin in einem Haus mit Innenhof aufgewachsen. Dort blühten zu jeder Jahreszeit die unterschiedlichsten Blumen und Kletterrosen berankten die Mauern. Wirkliches Interesse und Freude an der Gartenarbeit entdeckte ich dann nach meiner Heirat. Kaum von der Arbeit nach Hause, warf ich meine Tasche ins Wohnzimmer und lief sofort in den Garten hinaus. Mein Mann meinte: „Wenn du mit deiner Rundfunkarbeit beschäftigt bist, bist du immer völlig angespannt und gereizt, aber kaum bist du im Garten, wirkst du sofort ruhiger und sprichst in einem viel entspannteren Ton.“ Da beschloss ich, nach einer zweiten Beschäftigung zu suchen, die etwas mit Gärten zu tun hat. Ohne etwas Bestimmtes im Sinn zu haben, recherchierte ich einfach im Internet und stieß dabei auf Gartendesign. In meiner Schulzeit wurde ich kein einziges Mal für gutes Schreiben ausgezeichnet, dafür häufiger für meine Kunst. Das brachte mich zu dem Schluss, dass es für mich wohl nichts Besseres geben könnte, als meine geliebte Gartenarbeit mit Design zu verbinden. Ich machte mich sofort daran, meine Bewerbung für ein Programm in England zu verfassen. Damals war ich 38.
Lim: Das dürfte keine leichte Entscheidung gewesen sein. Wie war es dann vor Ort?
Oh: Das Studienfach war wie auf mich zugeschnitten, aber ansonsten machte ich eine wirklich schwere Zeit durch. Meinen Mann hatte ich in Korea zurückgelassen und nur meine beiden Töchter mitgenommen, die damals die sechsjährige Grundschulzeit hinter sich hatten. Mein holpriges Englisch reichte gerade mal fürs Eröffnen eines Bankkontos, aber darüber hinaus musste ich auch noch eine Schule für die Kinder suchen und mich um ihr Wohl kümmern. Tag für Tag gab es brenzlige Situationen. Wenn ich morgens die Augen aufschlug, dachte ich als Erstes daran, was an dem Tag wohl wieder schieflaufen würde. Die sieben Jahre in England waren wohl die schwierigsten meines Lebens.
Lim: Wie war das Gartendesign-Studium?
Oh: Weil ich mich mit Pflanzen nicht so gut auskannte, war das Designen von Gärten erst mal unmöglich. Nach einer Besprechung mit meinem Professor beschloss ich, ein einjähriges Praktikum zu machen. Ich begann ein Praktikum beim Team von Kew Gardens in London, der ältesten modernen Gartenanlage der Welt. Dieses eine Jahr hat mir immens viel gebracht und ist bis heute mein größtes Plus. In Kew Gardens werden nämlich nicht nur Pflanzen gezüchtet, die der reinen Zurschaustellung dienen, sondern auch Pflanzen für Forschungszwecke. Ich meldete mich freiwillig für die verschiedensten Abteilungen und arbeitete mit allen möglichen Pflanzen, angefangen von tropischen Pflanzen in Gewächshäusern bis hin zu krautigen Freiland-Sorten. In dieser Zeit habe ich diverse Erfahrungen sammeln können, die so nur vor Ort zu erhalten sind, angefangen von der Wasserversorgung über Schädlingsbekämpfung bis hin zum Schnitt.
Lim: Gibt es einen großen Unterschied zwischen einem Gartendesigner und einem Gärtner oder Landschaftsgestalter?
Oh: Ein Gartendesigner ist etwas völlig anderes als ein normaler Gärtner. Er ist zuständig für das Entwerfen und Planen des gesamten Umfelds eines Gebäudes, für welches wiederum der Architekt verantwortlich ist. Der Gartendesigner gestaltet den Raum so, dass die physikalischen Eigenschaften des Bauwerks und die Merkmale der einzelnen Pflanzen miteinander harmonieren, angefangen bei der genauen Anzahl von Sträuchern und krautigen Pflanzen über Farbkontraste von Blüten und Blättern bis hin zur spezifischen Textur der einzelnen Pflanzen. Wenn notwendig, gibt der Gartendesigner auch die Anfertigung spezieller Blumentöpfe oder Skulpturen in Auftrag. Er ist also jemand, der Erscheinungsbild und Ambiente einer Wohnstätte als Ganzes umfassend designt.
Oh Kyung-ah schuf diesen Garten, indem sie einen ausrangierten Container in der Seouler Stadtmitte zu einer Oase der Ruhe und Erholung inmitten der schnelllebigen Hauptstadt verwandelte. © Wang Gyu-tae
„Es ist nicht so, dass es keine Schmetterlinge und Bienen mehr in den Städten gibt, sondern die Art und Weise unseres Lebens in den Städten verhindert, dass wir sie zu Gesicht bekommen.“
Zuflucht für den Geist
Lim: Heute geben Sie ja auch Kurse. Wofür interessieren sich die Teilnehmer am meisten?
Oh: Eine der häufigsten Fragen ist, wie man Pflanzen richtig pflegt, sodass sie nicht eingehen. Pflanzen sterben aus den unterschiedlichsten Gründen, selbst wenn ihr Besitzer sie richtig pflegt. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass Pflanzen, die in der Stadt gezogen werden, aus ihrem natürlichen Habitat genommen sind. Daher ist es unmöglich, dass sie die in Nachschlagewerken angegebene durchschnittliche Lebensdauer erreichen. Jemandem, der zu Hause Pflanzen aufziehen möchte, würde ich raten, es einfach mal zu versuchen und sich keine Gedanken darüber zu machen, ob sie vielleicht eingehen werden. In Korea sind Pflanzen zudem auch zu sehr vernünftigen Preisen zu haben.
Lim: Ein Großteil der Koreaner wohnt jedoch in Städten und dazu noch in Wohnhochhäusern. Grenzt es denn nicht schon an Extravaganz, in einem solchen Wohnumfeld Pflanzen zu ziehen?
Oh: Auf gar keinen Fall. Pflanzen sind für unsere geistige Gesundheit unentbehrlich. Beim Lesen von Online-Kommentaren spürt man, wie gereizt alle heutzutage sind. Auch Psychologen weltweit empfehlen nachdrücklich Gartenarbeit: Wenn man sieht, wie die ersten jungen Triebe sprießen, soll die Bildung körpereigener Heilhormone stimuliert werden, Hormone, die z.B. entstehen, wenn die Eltern erleben, wie ihr Kind die ersten Schritte macht. Vor einigen Jahren ermöglichte die British Medical Association sogar die Verschreibung von Gartenarbeit. Zweimal pro Woche zwei Stunden am Tag im Garten zu arbeiten helfe bei manchen Krankheiten besser als Schmerz- oder Beruhigungsmittel einzunehmen. Viele Pflanzen gedeihen auch in Innenräumen gut. Die meisten davon sind Arten, die im subtropischen oder ariden Klima wachsen. Dazu gehören z.B. großblättrige Spezies wie Gummibäume oder Steckenpalmen.
Lim: Ich habe gehört, dass Sie vor kurzem für einen Einkaufskomplex in der Provinz Gyeonggi-do einen Dachgarten designt haben. Dachgärten scheinen zurzeit immer beliebter zu werden.
Oh: Der Einkaufskomplex hatte gerade erst geöffnet, sodass überall noch Baumaterialien herumlagen, aber kaum hatten wir einige Pflanzen gesetzt, kamen Schmetterlinge und Bienen angeflogen, als ob sie nur in ihren Verstecken darauf gewartet hätten. Es ist nicht so, dass es keine Schmetterlinge und Bienen mehr in den Städten gibt, sondern die Art und Weise unseres Lebens in den Städten verhindert, dass wir sie zu Gesicht bekommen. In jüngster Zeit wird in immer mehr kommerziell genutzten Räumen versucht, durch Anlegen von Gärten mehr Kunden anzulocken. Gärten sind aber besonders dort nötig, wo sich Hochhäuser dicht an dicht drängen. Im Kreis Yangyang-gun ganz hier in der Nähe leben über 20.000 Menschen. Das entspricht etwa der durchschnittlichen Zahl der Einwohner, die in einer koreanischen Großstadt in drei Wohnhochausanlagen leben. Weil sich unzählig viele Menschen auf so engem Raum dicht an dicht drängen, fühlen sie sich schnell unruhig und unsicher, denke ich. Auch wenn es nur ein winziges Eckchen ist: Für unser Wohlbefinden ist es unerlässlich, die Natur in unseren städtischen Lebensraum zu holen.
Ein Garten im Hof der Joongang OB & GYN Clinic in der Stadt Sokcho. Da kein Sonnenlicht in den Hof kommt, wurden für das Design Gewächse wie Farne, Moose und blühende Lanzenfunkien gewählt. © Monthly Gardening
Die Skizze für einen Kunstgarten-Ruheraum, eingereicht bei der 2014 Seoul Living Design Fair und unterstützt von der Hana Financial Group. © Monthly Gardening
Erfreuliche Pläne
Lim: Besuchen Sie auf Ihren Städtereisen auch immer die berühmten Gärten vor Ort?
Oh: Ja. Bei der Flugreservierung plane ich stets einen Stop-over in Städten mit besonderen Gärten ein. Bei meiner Keniareise habe ich z.B. einen Zwischenstopp in Thailand gemacht, um mir den Botanischen Garten Nongnooch anzusehen. Es ist auch schon mal passiert, dass ich einen bekannten Urlaubsort besuchte und kein einziges Mal am Strand war, weil ich mir nur die Gärten angeschaut habe. Auch in Dubai, wo viele eine Zwischenlandung machen, gibt es einen beeindruckenden Garten.
Lim: Gibt es besondere Gärten in Korea, die Sie empfehlen würden?
Oh: Es gibt sehr viele. Zu nennen sind z.B. der Garten der Morgenstille in Gapyeong, Provinz Gyeonggi-do; der Jade Garden in Chuncheon, Provinz Gangwon-do; der Seomi-Garten in Namhae, Provinz Gyeongsangnam-do und der Oedo Botania auf der Insel Oe-do, die zur Stadt Geoje gehört. Den Seomi-Garten besuche ich öfters, weil er im englischen Stil gestaltet ist und dort hauptsächlich krautige Pflanzen wachsen, was in Korea selten zu finden ist. Traditionelle koreanische Gärten sind natürlich auch sehenswert, so z.B. der Garten Soswaewon in Damyang und der Garten um den Pavillon Seyeonjeong auf der Insel Bogil-do im Kreis Wando, Provinz Jeollanam-do, oder der Garten Seoseokji im Kreis Yeongyang in der Provinz Gyeongsangbuk-do.
Lim: Auf welche Punkte sollte man bei dem Besuch eines Gartens besonders achten, um ihn noch besser genießen zu können?
Oh: Achten Sie zunächst auf Grundfarbton und Harmonie der einzelnen Farben. Ein Garten kann z.B. ausschließlich in Weiß und Hellrosa gestaltet sein, um einen Pastelltoneffekt zu erzeugen, während ein anderer für eine kunterbunte Atmosphäre auf Farbenvielfalt setzt. Wer noch etwas tiefer gehen möchte, sollte sich auch die Farben der Töpfe und Kübel anschauen. Es gibt auch Gärten, die ganz auf Blüten verzichten und nur mittels der Textur der Blätter einen speziellen Effekt erzielen. Andere arbeiten mit Gestalt und Form, indem sie z.B. runde Blüten mit kugeligen Skulpturen kombinieren.
Lim: Gibt es auch Filme, in denen Gärten eindrucksvoll dargestellt werden?
Oh: Dazu kann ich nichts sagen, da ich meistens SF-Filme schaue. Ach, übrigens: Der Titel des britischen Films Der Kontrakt des Zeichners (1982) unter der Regie von Peter Greenaway wurde im Koreanischen mit „Mord in einem englischen Garten“ übersetzt, was schlichtweg falsch ist. Die Handlung spielt zwar in England, doch der Garten ist ein äußerst klassischer französischer Garten im Barockstil.
Lim: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Oh: In diesem Jahr war ich zu oft auf Dienstreisen. Nächstes Jahr möchte ich mehr Zeit in Sokcho verbringen und mich wieder stärker der Arbeit in meinem Garten widmen. Und dann möchte ich „The Shed“, dem Gartencafé, das ich 2019 eröffnet habe, den letzten Schliff geben. Und Kinderbücher schreiben. Vielleicht eine Serie, die Kindergeschichten mit einigen Grundkenntnissen über Gärten verbindet. Je früher man anfängt, etwas über Gärten und Gärtnern zu lernen, desto besser.