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2022 SUMMER

Den Chancen folgen

Für viele Ausländer, die nach Korea kommen, ist Englischunterrichten eine kurze Zwischenstation auf dem Weg zu einer anderen Tätigkeit. Aber für Christopher Maslon ist es ein Dauerjob, während er sich auch im Kunstsektor, dem er sich eigentlich widmen wollte, eine Karriere aufbaut. Da er zudem voller Unternehmungslust ist, nimmt er gern Neues in Angriff.

 

Mit blauem Hemd und gestreifter Krawatte sieht Christopher Maslon zweifellos wie ein Englischlektor aus. Aber die glitzernden Streifen seiner Krawatte verleihen ihm etwas Vitales, sodass man etwas mehr als nur einen Lektor erwartet.

Sucht man ihn in den sozialen Netzwerken, findet man auf seinem Facebook-Account nur kunstrelevante Inhalte, während sein Instagram-Account von Bodybuilding-Fotos wimmelt, zwischen denen hier und da Fotos als Spider-Man, Superman oder viktorianischer Gentleman zu sehen sind. Daher fragt man sich, ob seine Konten nicht vielleicht gehackt wurden. Maslon sagt: „Ich will nicht, dass meine linke Hand weiß, was meine rechte tut. Und ich teile meine jeweiligen Tätigkeiten gern in unterschiedliche Kategorien ein.“

Maslon ist tatsächlich nicht nur Lektor, sondern auch Künstler und Bodybuilder. Nebenberuflich ist er als Cosp aktiv, modelt hin und wieder oder tritt in Aufführungen auf, beschäftigt sich aber auch mit viktorianischer Gothic-Kunst und -Mode. Sein Lebensmotto ist, Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten und – falls sie in Neuland liegen sollten – einfach durch Ausprobieren zu lernen. Er sagt: „Wenn mir etwas angeboten wird, das gewaltig erscheint, stürze ich mich voll hinein.“ Das heißt aber nicht, dass er sich auch sofort auf die Chance, in Korea zu leben, gestürzt hätte.

Ergreif die Chance!

Als Maslon, der nach dem Abschluss seines Kunststudiums im US-Bundesstaat Ohio lebte, ein langes E-Mail von seinem koreanischen Nachbarn erhielt, ignorierte er sie zunächst. In der Betreffzeile stand: „Englisch unterrichten in Korea“. Maslon löschte das E-Mail zwar sofort, aber es wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Als er seinen Nachbarn, einen Computertechnologie-Professor, darauf ansprach, meinte dieser: „Du bist der Richtige!“ Maslon protestierte zwar völlig verwirrt dagegen, saß aber schon kurz darauf in einem Flugzeug nach Korea, geködert durch ein kostenloses Flugticket und die Garantie, eine Woche später wieder zurückfliegen zu können, falls es ihm in Korea nicht gefallen sollte.

„Am 31. März 2002 bin ich in Korea angekommen. Diesen Tag nenne ich meinen ‚koreanischen Geburtstag'. Das ist jetzt 20 Jahre her und seitdem bin ich nicht mehr zurückgeflogen.“ Es war das Jahr der Fußball-WM Korea-Japan. Maslon war zwar kein Fußballfan, wurde aber auch vom WM-Fieber mitgerissen. Eines Tages nahm er an einem Abendessen teil, bei dem er neben einem Holländer mittleren Alters saß. Erst später erfuhr er aus den Nachrichten, dass dieser Mann Guus Hiddink, der Nationaltrainer der koreanischen Fußballmannschaft, war. „Es war großartig, gerade zu dieser Zeit in Korea zu sein. Ich war wie verzaubert und fühlte mich als Teil der Geschichte“, erinnert er sich.

Im Laufe der Zeit lernte Maslon den Arbeitsethos der Koreaner schätzen und entwickelte auch eine Zuneigung für die koreanische Küche und historische TV-Serien, wobei er sich insbesondere den Joseon-Königen und der adligen Yangban-Oberschicht der Zeit verbunden fühlte. Und er verliebte sich in die Linguistik-Studentin Kwon Seon-ae, die er an seinem dritten Tag in Korea in der Kirche kennenlernte. Drei Jahre später heirateten die beiden. Bei der Erinnerung daran lacht Maslon, da ihm der Rat seiner koreanischen Vermieterin in Ohio einfällt: „Christopher, denk ja nicht daran, die erstbeste Koreanerin, die dir nach deiner Ankunft über den Weg läuft, zu heiraten!“ Elizabeth, die Tochter der Maslons, wurde 2006 geboren.

Unerwarteterweise entwickelte er auch eine Liebe fürs Englisch-Unterrichten. Er begann mit einem neunmonatigen Lehrvertrag an der Dongah Meister High School in Daejeon und schon bald wurde ihm klar, dass er seinen Traumjob gefunden hatte. Er sagt: „Es ist wohl meine Leidenschaft, Dinge zu erklären, zu teilen und zu beschreiben. Das Unterrichten gefällt mir.“ Drei Jahre später wechselte er an das Daejeon Health Institute of Technology, wo er nicht nur Englisch, sondern auch Kunstgeschichte, Kunstdesign und Fotografie unterrichtet. Um seine Professionalität weiterzuentwickeln, erwarb er sogar einen Masterabschluss in TESOL (Teaching English to Speakers of Other Languages).

Andy Warhols Einfluss

Für Maslon selbst kam der Karrierewechsel unerwartet, denn er fühlte sich zum Künstler berufen, ganz zu schweigen davon, dass er die Schule hasste. Als er mit vier Jahren eines Tages alleine spielte, fand er eine Schachtel mit Buntstiften und bemalte damit alle Wände – meistens mit Bäumen und Tieren in Schwarz und Lila.

Inspiriert von Andy Warhols ikonischen 100 Campbell-Suppendosen, die er zum ersten Mal im Oberschul-Kunstunterricht sah, verwendet Maslon hauptsächlich die Siebdrucktechnik. „In meinem Kopf gingen Feuerwerke los. Von diesem Tag an faszinierte mich das Drucken und ich war geradezu besessen davon, das Verfahren zu lernen, mit dem Andy Warhol Marilyn Monroe und 100 Campbell-Suppendosen geschaffen hatte.“ Nachdem ihm bewusst geworden war, was er im Leben wirklich wollte, studierte er mit einem Stipendium am Columbus College of Art & Design in Ohio und vertiefte sich in die Siebdruck-Kunst.

Es freute ihn sehr, als er erfuhr, dass Korea eine altehrwürdige Druckkunst-Tradition besitzt, zu der allen voran das Jikji Simche Yojeol zählt, das älteste mit beweglichen Metalllettern gedruckte Schriftstück der Welt. Glücklicherweise ließ ihm die Lehrtätigkeit genügend Zeit für seine Kunst und schon bald trat er dem Daejeon Arts Collective (DJAC) bei, einer Vereinigung von in Daejeon lebenden Künstlern aus aller Welt.

Lucky Numbers. 2015. Siebdruck auf Vinyl. 30 × 42 cm.

Telephone Serie #1 (3). 2015. Siebdruck auf Vinyl. 30 × 42 cm.

Neo-Pop-Identität

Maslons Durchbruch kam, als sein Siebdruck eines amerikanischen Kühlschranks aus den 1940er Jahren, der auf einer DAJC-Ausstellung im Frühling 2015 präsentiert wurde, die Aufmerksamkeit eines Galeristen auf sich zog. Dieser nahm Maslon mit in ein Studio, das ein Residenzprogramm für koreanische Druckkunst betrieb. „Kaum war ich an der Tür, stieg mir auch schon der Geruch von Tiefdruckfarben in die Nase. Mir wurde klar, dass ich einen Ort entdeckt hatte, wo Druckkünstler zusammenkamen. Ich war im Nirwana. Mir wurde ein zweimonatiger Aufenthalt angeboten. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich meine Flügel voll ausbreiten und alles tun, was ich wollte.“

Während dieser zwei Monate fertigte er rund 60 Werke an, definierte seine Identität als Neo-Pop-Künstler und erweiterte seine Kunstwelt auf Plastikdrucke. Inspiriert von Lady Gagas gleichnamigen Song, schuf er die Serienwerke Rocket Number 9, die in seiner Soloausstellung 2019 in der Galerie Yian gezeigt wurden. Vier davon hängen jetzt im Büro des Physikers der US-Raumfahrtbehörde NASA, Dr. Philip Metzger. Die beiden lernten sich online über eine Gruppe Strandsandsammler kennen.

Es mag Menschen geben, die in seinen Werken nach einem tieferen Sinn suchen, aber Maslon sagt: „In meiner Kunst geht es um Dinge, die ich liebe. Und ich konnte feststellen, dass es irgendwo Menschen gibt, die dieselben Dinge lieben.“ Viele dieser Dinge sind Alltagsobjekte wie Waschmaschinen, Trockner, Telefone, Schreibmaschinen oder Grammophone, dazu Tiere oder Pflanzen. Er hat auch kleinformatige Bodybuilding-Fotos gedruckt.

„Meine Neo-Pop-Drucke sind eine Art Sammlung, eine elektrisierende Mischung oder eine Masse aus modernen Fotos und Vintage-Fotos. Sie stehen für ein bestimmtes Gefühl oder komplexe Gefühle. Ein unscharfes Gemisch oder eine Aufeinanderschichtung von undeutlichen Bildern, bei denen nur schwer Anfang oder Ende auszumachen ist“, erklärt er. „Ich schaffe auch singuläre Objekte und elektrifiziere sie, damit sie mit Verehrung oder Ehrfurcht betrachtet werden. Studiert und bewundert werden. Ich mag grundsätzlich individuelle Kennzeichnung, Singularität und sorge gern dafür, dass etwas identifiziert wird, einen passenden Namen bekommt und mit der richtigen Geschichte in Bezug auf Zusammenhänge und Herkunft versehen wird.“

Neben Unterrichten und Kunst betreibt Christopher Maslon auch gerne Bodybuilding. Das Training veränderte nicht nur seinen Körper, es stärkte auch sein Selbstvertrauen und eröffnete neue, interessante Möglichkeiten.
© Christopher Maslon

Bodybuilding und Gothic Fantasies

Neben seinen Lieblingsbeschäftigungen, dem Unterrichten und der Kunst, zählt Bodybuilding für Maslon zu den besten Dingen, die er je gemacht hat. 2004 wurde ihm bewusst, dass seine Gesundheit stark angeschlagen war. Sogar das Treppensteigen in der Oberschule, in der er unterrichtete, bereitete ihm Schwierigkeiten. Er begann Sport zu machen und vereinbarte einen Dreijahresdeal mit einem Privattrainer: eine Stunde Englischunterricht gegen eine Stunde Training. Per Zufall erfuhr er von einer Bodybuilding-Show. Er sagte sich: „Da mache ich mit!“ Ein Jahr später stand er auf der Bühne und wurde Dritter in seiner Klasse. 2014 rangierte er beim Wettbewerb Musclemania Korea in Seoul in der Kategorie „Men's Classic“ auf Platz 3. Das dürfte sich selten im Lebenslauf eines Englischlektors finden.

Maslon, einst ein magerer Junge, der am Strand nur ungern sein Hemd auszog, sagt: „Bodybuilding hat nicht nur meinen Körper verändert, sondern auch mein Selbstbewusstsein. Das hat sich enorm auf mein Leben ausgewirkt. Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden!“

Bodybuilding und seine Facebook-Fotos brachten ihm „erstaunliche Chancen“. Eine Model-Agentur auf der Suche nach einem muskulösen Ausländer für eine TV-Werbung der Englisch-Lern-App Santa TOEIC, in der der legendäre Schauspieler Lee Sun-jae als Model auftritt, kontaktierte ihn. Es folgte ein 3-Sekunden-Auftritt als amerikanischer Wissenschaftler in dem Film Gongjak (The Spy Gone North). Gelegentlich vergnügt er sich mit Kostümspielen, wobei er sich gerne als Superheld oder in viktorianischen Kostümen zeigt. Seine Vorliebe für Gothic und Viktorianisches geht zurück auf die amerikanische TV-Serie The Addams Family aus den 1960er Jahren und auf seine Kindheit, die er in Monson, Massachusetts, in einem fast 200 Jahre alten Haus verbrachte. Nach den Fantasy-Projekten, an denen er zusammen mit der in Daejeon lebenden Fotografin Alla Ponomareva arbeitete, beschäftigt er sich derzeit mit der Herstellung von Requisiten: Skeletten, Schädeln, Särgen im Gothic-Stil und Tiffanylampen. Wenn Sie es sich vorstellen können, kann er es machen!

Beinahe perfekt

Wenn Maslon redet, spielt sich ein „Mimik-Karneval“ auf seinem Gesicht ab. Seine Augen leuchten auf und all seine Gesichtsmuskeln setzen sich in Einklang mit dem jeweiligen Gesprächsthema in Bewegung. Dazu gestikuliert er. Gerade deswegen dürfte sein koreanischer Nachbar in Ohio geglaubt haben, dass Maslon einen guten Lehrer abgeben würde: „Er sagte, ich sei charismatisch, etwas verrückt. Ich rede ohne Punkt und Komma, rede mit meinen Händen. Ich bin ein Visualist.“

Aber als er seine Erfahrungen nach dem Verlassen der USA beschrieb, schloss er gelegentlich die Augen. „Ich bin ein sensibler Mensch. Wenn meine Gefühle mich überwältigen, muss ich die Augen schließen“, erklärt er. „Korea hat mir so viel gegeben.“ In seinen Kopf visualisierte er die vergangenen 20 Jahre und ließ sie an sich vorbeiziehen. Er sagt, die Reise sei bisher zu 97 Prozent gut gewesen, so gut, dass er sie für sich behalten wolle. „Ich möchte niemanden hierher einladen. Es ist meine eigene, ganz private Sache“, sagt er und schließt wieder die Augen.

 

Cho Yoon-jung Freiberufliche Schriftstellerin, Übersetzerin
Fotos Lee Min-hee

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