Seochon ist zusammen mit Bukchon eines der repräsentativen Hanok-Dörfer Seouls. Die öffentlichen Hanok in Seochon ermöglichen Einblicke in die traditionelle Wohnkultur und bieten außerdem vielfältige Kunst- und Kulturprogramme, was das Viertel zu einem regelrechten Hotspot der Region gemacht hat.
Ein Blick auf den Innenhof der Seochon Lounge. Es handelt sich um ein renoviertes zweistöckiges Hanok-Haus, das der Öffentlichkeit zugänglich ist. Menschen, die an moderne Wohnungsarten wie Apartments gewöhnt sind, können hier das Leben in einem traditionellen koreanischen Haus kennenlernen.
© Seoul Metropolitan Government
Bei den meisten Hanok in Seochon handelt es sich um „städtische Hanok“, die zur Zeit der Moderne in großer Anzahl entstanden sind. Sie wurden hauptsächlich in den 1920/30 Jahren gebaut, um den Wohnungsmangel in Gyeongseong (heute: Seoul) zu lösen, der während der raschen Urbanisierung aufgrund der Überbevölkerung entstand. Damals kauften Immobilienentwickler Land, teilten es in Parzellen auf und bauten darauf eine Vielzahl kleiner Hanok.
Städtische Hanok haben eine Struktur, bei der der Eingang und die Zimmer in einer ㅁ-Form um einen zentralen Hof miteinander verbunden sind. Im Vergleich zu einem traditionellen Hanok wurden die Größe und Struktur vereinfacht, dafür aber mehr dekorative Elemente und moderne Materialien wie Glas und Ziegel verwendet. Zudem passten sie sich an die sich allmählich ändernden Lebensstile an, indem bsw. Küche und Badezimmer modernisiert wurden.
Doch auch in den städtischen Hanok bleibt die einzigartige Atmosphäre eines traditionellen Hauses bestehen. Viele Menschen suchen aus diesem Grund Hanok-Unterkünfte, um für eine Nacht dem Alltag zu entfliehen und etwas Besonderes zu genießen. Da der sog. Hanok-Stay jedoch nicht für jeden erschwinglich ist, kaufen die Stadt Seoul und der Bezirk Jongno-gu Hanok-Häuser mit öffentlichen Mitteln auf, um sie der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Auch in Soechon gibt es öffentliche Hanok wie die Häuser Sangchonjae, Hong Geon-ik House oder Seochon Lounge, die von den Anwohnern und Besuchern des Viertels gerne aufgesucht werden. Öffentliche Hanok bieten nicht nur eine Möglichkeit, die traditionelle Wohnkultur zu erleben, sondern veranstalten auch einzigartige Kultur- und Kunstprogramme wie Handwerksworkshops oder Kunstausstellungen.
In Seochon gibt es viele „städtische Hanok“, die zur Zeit der Moderne gebaut wurden. Auf den ersten Blick scheinen sie traditionellen Hanok zu ähneln, unterscheiden sich jedoch in Form, Materialien und Bauweise. Kennzeichen sind die Verwendung von Glas, Ziegel, Fliesen und verzinkte Bleche sowie die stärkere Betonung auf dekorative Elemente.
© Choi Tae-won
Der Tradition verbunden
Sangchonjae war ursprünglich ein Haus im Besitz der Polizei und stand lange Zeit leer, bis der Stadtbezirk Jongno-gu es 2013 erwarb und nach der Renovierung 2017 der Öffentlichkeit zugänglich machte. Das im traditionellen Hanok-Stil des späten 19. Jhs. erbaute Haus dient seitdem als Ausstellungsort, an dem man die Ondol-Fußbodenheizung sowie die Struktur traditioneller koreanischer Häuser erkunden kann. Der Innenhof und der Außenhof sind entsprechend den natürlichen Gegebenheiten hierarchisch angeordnet, und um diese Höfe herum stehen das Hauptwohngebäude, das Herrengebäude und das Wohngebäude für die Dienerschaft in organischer Beziehung zueinander. Daher ist das Haus Sangchonjae ein beliebtes Ziel für diejenigen, die sich mit Hanok-Architektur beschäftigen. 2017 erhielt es den Preis für öffentliche Architektur des koreanischen Ministeriums für Land, Infrastruktur und Verkehr, und 2018 wurde es mit dem Preis für Raumkultur des koreanischen Ministeriums für Kultur, Sport und Tourismus ausgezeichnet.
Sangchonjae ist ein Hanok, das, nachdem es lange Zeit leer gestanden hatte, im traditionellen Hanok-Stil des späten 19. Jhs. restauriert wurde. Es wird für die wunderschöne Wiederbelebung der traditionellen koreanischen Architektur gepriesen und gilt als eines der berühmtesten öffentlichen Gebäude in Seochon.
© Jongno Foundation for Arts & Culture
Der Reiz von Sangchonjae liegt nicht nur in seiner Architektur, sondern auch in den vielfältigen Kultur- und Kunstprogrammen. Hier werden Programme zu Hanok, Hanbok, traditionellem Kunsthandwerk und saisonalen Bräuchen angeboten. Neben einmaligen Erlebnisveranstaltungen gibt es auch Programme für Ausbildung zu fachkundigen Kräften. Zudem fördert Sangchonjae junge Künstler und organisiert regelmäßig Ausstellungen. Dank der breiten Palette an kulturellen Angeboten für die Bürger hat sich Sangchonjae zu einem beliebten Ort in Seochon entwickelt, den jährlich durchschnittlich 20.000 Menschen besuchen.
Sangchonjae, ein öffentliches Hanok in Seochon, bietet Programme zur Erkundung der traditionellen koreanischen Kultur. Hier sieht man in Hanbok gekleidete Kinder, die im Rahmen eines Kurses über traditionelle Lebensweisen geschult werden.
© Jongno Foundation for Arts & Culture
Der modernen Zeit angepasst
Das in den 1930er Jahren erbaute Hong Geon-ik Haus ist ein privates Haus, das traditionelle Bauweise und moderne Elemente miteinander kombiniert. Es gehört zu den wenigen Hanok in Seoul, die sowohl einen Brunnen als auch eine Eiskammer besitzen. Über den Hausherrn Hong Geon-ik ist bekannt, dass er ein Händler war, detaillierte Aufzeichnungen über ihn existieren jedoch nicht. Das Haus wurde auf einem leicht ansteigenden Hügel errichtet und nutzt die natürliche Topographie, um das Hauptwohngebäude, Herrengebäude und Gebäude für die Dienerschaft unabhängig voneinander anzuordnen – eine typische Eigenschaft traditioneller Hanok-Architektur. Auf der anderen Seite zeigen die gläsernen Schiebetüren der Großen Holzdiele und die Vordachgestaltung Veränderungen der Hanok-Architektur in der Moderne. Aufgrund seines architektonischen Wertes wurde es als Volkskulturerbe der Stadt Seoul anerkannt.
Das Hong Geon-ik Haus wurde 2011 von der Stadt Seoul erworben und nach der Renoviereung 2017 als öffentlich zugängliches Hanok-Haus eröffnet. Für Besucher stehen Führungen in verschiedenen Programmen bereit. Darunter sind besonders diejenigen beliebt, bei denen die Teilnehmer durch Seochon spazierend Erklärungen zu den unterwegs befindlichen Kulturerben erhalten können. Ein repräsentatives Programm davon führt zu den Schauplätzen des Albums Jangdong Palgyeong Cheop (Album der acht malerischen Orte von Jangdong in Seoul) des Malers Jeong Seon (1676–1759) aus der Joseon-Zeit.
Eine weitere Attraktion des Hong Geon-ik House sind die saisonalen Kulturprogramme. An Sommerabenden werden traditionelle Teeveranstaltungen angeboten, und zum Herbstfest Chuseok gibt es Events, bei denen die Besucher das Selbstmachen von Songpyeon (gefüllte Reiskuchen) erleben können. Die Handwerksprogramme in den Bereichen Näharbeit, Lackkunst oder Keramik sind auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie in Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und Kreativen durchgeführt werden.
Die Sonderausstellung Gegenstände eines Haushalts – Lebensführung im Hong Geon-ik House, die von Dezember 2022 bis Januar 2023 stattfand, präsentierte Werke von OUWR DESIGN HOUSE und weiteren Kunsthandwerkern, die Vergangenheit und Gegenwart verbinden.
© Hong Geon-ik House, OUWR
Verbindung zwischen Tradition und Moderne
Die Seochon Lounge ist ein multifunktionaler Kulturraum, der im Oktober 2023 im Rahmen der Hanok-Politik der Stadt Seoul eröffnet wurde. Dieses Haus mit modern umgestalteten Innenräumen umfasst ein Erdgeschoss, in dem geplante Ausstellungen stattfinden, und ein Obergeschoss, das als Erholungsraum für die Besucher genutzt wird.
Hier werden hauptsächlich Inhalte präsentiert, die den kulturellen Kontext von Seochon berücksichtigen, in dem kreative Akteure aus verschiedenen Bereichen wie Malerei, Kunsthandwerk und Architektur aktiv tätig sind. Dabei liegt der Schwerpunkt insbesondere auf Landesgrenzen und Generationen übergreifenden Lifestyle-Inhalten. Die Eröffnungsausstellung Bauhaus×Korea Craft Design präsentierte Möbel im Stil des Bauhauses in Kombination mit Werken einheimischer Kunsthandwerker und verdeutlichte den Charakter und die Ausrichtung des Raumkonzepts des Hauses. Auch in diesem Jahr fanden regelmäßig Projekte statt, die In- und Ausland sowie Tradition und Moderne miteinander verbinden, darunter eine Kooperationsausstellung zwischen Industriedesign-Studenten der École cantonale d’art de Lausanne (ÉCAL) in der Schweiz und der koreanischen Beleuchtungsmarke AGO.
Das Global Seasonal Tea-Talk mit einer Sommelière ist eine weitere Attraktion des Hauses. Die Teilnehmer können nicht nur traditionellen Tee aus Korea, sondern auch Tees aus anderen Ländern probieren und sie vergleichen. Die Plätze bei dieser Veranstaltung sind so heiß begehrt, dass sie immer schnell ausverkauft sind.
Im Laufe der Zeit mag sich die Struktur und Form des Hanok allmählich verändert haben, doch sein charakteristischer, ruhiger Charme bleibt erhalten. Auch für das Leben und die Kultur des modernen Menschen sind sie eine Inspirationsquelle. Die Programme, die von den öffentlichen Hanok in Seochon angeboten werden, bieten wiederum eine weitere Möglichkeit, das Viertel zu genießen.
Teilnehmerinnen der beliebten Veranstaltung Global Seasonal Tea-Talk bei der Teezubereitung, in der unter der Anleitung der Sommelière ein tieferes Verständnis für den Tee erworben wird.
© Seochon Lounge