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2024 WINTER

Action neu gedacht

Mit seinem neuesten Film I, The Executioner – der Fortsetzung seines Blockbusters Veteran von 2015 – lotet der Regisseur Ryoo Seung-wan die Grenzen zwischen Gut und Böse aus, wenn ein Einzelner zur Selbstjustiz greift. Beim Gespräch auf dem Filmfestival in Cannes teilt Ryoo seine Gedanken mit uns.

Der renommierte Filmemacher Ryoo Seung-wan beleuchtet messerscharf die Abgründe der koreanischen Gesellschaft und menschlicher Natur und bleibt dabei massentauglich. Seine Werke verbinden dynamische Action mit intensiven, charakterzentrierten Geschichten und schaffen eine gelungene Mischung aus sozialkritischer Botschaft und packender Unterhaltung.
Mit freundlicher Genehmigung von CJ ENM

Regisseur Ryoo Seung-wan ist seit über 20 Jahren eine feste Größe in der koreanischen Filmindustrie. Bekannt für seine Actionfilme, scharfsinnigen Blick und Gespür für soziale Themen, landete er im vergangenen Jahr mit Smugglers einen Kassenschlager. Der Film verfolgt die turbulenten Erlebnisse einer Gruppe von Haenyeo, traditionellen Meerestaucherinnen ohne Sauerstoffflaschen, deren Lebensgrundlage bedroht wird, als eine Chemiefabrik in ihrem beschaulichen Küstenstädtchen eröffnet wird.

Dieses Jahr bringt Ryoo mit I, The Executioner, auch bekannt als Veteran 2, das Team aus Veteran: Above The Law auf die Leinwand zurück. Die Ermittler sind diesmal einem Serienmörder auf der Spur, und das koreanische Publikum war begeistert: Über 6 Mio. Menschen strömten innerhalb von 15 Tagen in die Kinos, nachdem der Film pünktlich zu den Chuseok-Erntedankfesttagen gestartet war.

Mit mehr als 90 Mio. Dollar erzielte der erste Veteran das fünfthöchste Einspielergebnis in den koreanischen Kinocharts. Sein Erfolg inspirierte internationale Neuverfilmungen, darunter 2019 eine indische Version mit Bollywood-Superstar Salman Khan. Auch der amerikanische Filmemacher Michael Mann arbeitet derzeit an einem Remake, das direkt nach seiner heiß ersehnten Fortsetzung des Gangster-Klassikers Heat 2 gedreht werden soll. Die erste Aufführung von Veteran außerhalb Koreas fand 2015 auf dem Toronto International Film Festival (TIFF) statt. Die Fortsetzung feierte ihre Premiere jetzt auf dem diesjährigen Filmfestival in Cannes in der prestigeträchtigen Sektion Midnight Screening des Grand Théâtre Lumière.

Schon seit längerer Zeit werden koreanische Filme in Cannes präsentiert. Zu den bisherigen Höhepunkten gehören Werke wie The Good, the Bad, the Weird von Kim Jee-woon, Emergency Declaration von Han Jae-rim, The Yellow Sea von Na Hong-jin, The Handmaiden von Park Chan-wook, The Spy Gone North von Yoon Jong-bin und v. a. Bong Joon-hos Parasite, der 2019 die Goldene Palme gewann.

Ryoo Seung-wan war 2005 mit seinem Boxerdrama Crying Fist in der Reihe Directors’ Fortnight erstmals in Cannes vertreten. Der Film zeigt seinen jüngeren Bruder Ryoo Seung-bum – inzwischen ein großer Star – an der Seite der koreanischen Filmikone Choi Min-sik, der durch Park Chan-wooks Old Boy (2004), den Gewinner des Grand Prix in Cannes, damals schon international bekannt war.

Im ersten Veteran brillierte Hwang Jung-min als furchtloser und hartnäckiger Ermittler, der einen sadistischen und korrupten Tycoonerben der dritten Generation, verkörpert von unvergesslichem Yoo Ah-in, zur Strecke bringen soll. Die gelungene Mischung aus Humor, fesselnder Action und scharfer Kritik an Korruption und sozialer Ungleichheit traf beim Publikum einen Nerv. Nun kehren Hwang und das dynamische Ensemble, darunter Oh Dal-su und Jang Yoon-ju, zurück, verstärkt durch Jung Hae-in, der sich als neues Mitglied der Abteilung für Gewaltverbrechen dazugesellt.

Crying Fist (2005), einer der frühen Filme Ryoos, erzählt die bewegende Geschichte über den Neuanfang eines gefallenen Boxstars und Silbermedaillengewinners der Asienspiele. Ohne aufwändige Technik oder spektakuläre Action setzt der Film auf tiefgehende emotionale Konflikte seiner Charaktere.
Mit freundlicher Genehmigung von Yong Film

Während Gerüchte über die Identität des Killers in den sozialen Medien viral gehen und das Land ins Chaos stürzen, muss das Team um den heldenhaften Ermittler seine Methoden und Annahmen überdenken.

Eine Szene aus Ryoos neuestem Film I, The Executioner ( Veteran 2 ), der nach seiner Veröffentlichung im September 2024 mit über 7,5 Millionen Zuschauern zu einem landesweiten Kassenschlager wurde.
Mit freundlicher Genehmigung von CJ ENM

Wie war Ihre jüngste Erfahrung in Cannes im Vergleich zu Ihrer ersten 2005?

Der größte Unterschied ist, dass ich vor neunzehn Jahren lediglich ein Außenseiter war, der das Grand Théâtre Lumière nur aus der Ferne bestaunte. Ich war viel jünger, und alles wirkte frisch, neu und aufregend. Ich erinnere mich, wie ich mir sagte: Eines Tages möchte ich hier meinen eigenen Film zeigen. Und nun stand ich tatsächlich in diesem Theater und präsentierte mein Werk. Ein weiterer Unterschied liegt in der Anerkennung, die das koreanische Kino mittlerweile genießt. Vor neunzehn Jahren hatten unsere Filmproduktion bei weitem nicht so viel Beachtung gefunden. Die Kinosäle waren nicht voll, und es gab auch nicht so viele Interviewanfragen wie heute.

Wie wurden Sie zum Fan von Actionfilmen?

Meine Liebe zum Kinofilm begann, bevor ich überhaupt in die Schule ging. Ich wuchs in Asan auf, einer kleinen, aber kulturell sehr lebendigen Stadt, in der ich die unterschiedlichsten Filme sehen konnte – von Hollywood-Blockbustern bis hin zu asiatischen Produktionen, darunter das Hongkong-Kino. Die unglaublichen Kampfkünste und die Stars aus Hongkong zogen mich vollkommen in ihren Bann. Diese Eindrücke wurden in mir verankert und prägten mein Verständnis von Kino als Kunstform, die Bewegung und Gesten einfängt.

Mit der Zeit entwickelte sich mein Blick auf das Genre jedoch weiter. Heute bedeutet „Action“ für mich viel mehr als nur physische Bewegungen oder Körpersprache. Es umfasst die Entwicklung der Charaktere, ihre Psychologie, die Dynamik der Ereignisse und wie die Emotionen und Gedanken des Publikums mit der Geschichte mitschwingen.

In The City of Violence (2006), Ryoo Seung-wans fünftem Spielfilm, spielen er selbst und sein langjähriger Freund Jung Doo-hong, ein bekannter Actionstar und Martial-Arts-Regisseur, die Hauptrollen. Der Film ist berühmt für seine intensiven Nahkampfszenen, die ganz ohne Drahtseile Action in ihrer reinsten Form zeigen.
© Cine21

Was war Ihrer Meinung nach das Erfolgsgeheimnis von Veteran, und warum griffen Sie die Geschichte neun Jahre später erneut auf?

Der Erfolg des ersten Films war eine große Überraschung für mich. Ehrlich gesagt fiel es mir anfangs schwer, damit umzugehen. Ursprünglich wollte ich einen unterhaltsamen Genre-Film schaffen, der meinem Stil entspricht und dem koreanischen Publikum eine gelungene Flucht aus dem Alltag bietet. Zufällig spiegelten dann einige gesellschaftliche Kontroversen zur gleichen Zeit die Themen des Films wider, was ihn unerwarteterweise zu einem Hit machte.

Schon während der Dreharbeiten zu Veteran entwickelte ich eine starke emotionale Bindung zu den Charakteren und in mir wurde der Wunsch nach einem zweiten Teil geweckt. Allerdings hielt mich der Erfolg des Films davon ab, sofort ins Material einzutauchen. Im ersten Film war die Darstellung von Gut und Böse vielleicht etwas zu holzschnittartig. Diese Einfachheit mag zu seinem Erfolg beigetragen haben, doch im Rückblick erscheint es mir etwas oberflächlich. Die Art, wie der Protagonist nach Gerechtigkeit strebte, entsprach nicht den komplexen Realitäten des Lebens, in denen die Grenzen zwischen Gut und Böse oft verschwimmen.

Nach Veteran hatten viele koreanische Filme und Serien Erfolg mit diesem Erzählansatz, sodass ich keinen dringenden Grund sah, mein eigenes Werk zu wiederholen. Inzwischen verwirklichte ich andere Projekte, darunter den Politthriller Escape from Mogadishu, der 2021 als südkoreanischer Vorschlag für eine Oscar-Nominierung eingereicht wurde. Neun Jahre vergingen wie im Flug, und schließlich spürte ich, dass es an der Zeit war, nun mit einem frischen Ansatz zu Veteran zurückzukehren.

The Berlin File (2013) fesselt das Publikum mit einer atemberaubenden Verfolgungsjagd inmitten einer internationalen Verschwörung. Mit einer hochkarätigen Besetzung, innovativer Action und spannender Handlung wird der Film als Meilenstein des koreanischen Actionkinos gefeiert. Schauspieler Ryoo Seung-bum, der jüngere Bruder des Regisseurs, wird oft als dessen „Alter Ego“ bezeichnet.
© CJ ENM

Wie würden Sie Park Seon-woo, die umstrittene Figur in der Fortsetzung, beschreiben?

Ich hauchte der Figur und der Handlung bewusst eine kontroverse Note ein, um eine Reaktion beim Publikum hervorzurufen, wie auch immer diese ausfallen mag. Wenn die Kontroverse bei den Zuschauern persönlich ankommt und sie zum Nachdenken bringt, dann habe ich mein Ziel erreicht. Einmal traf ich den großartigen Hongkonger Filmemacher Johnnie To und fragte ihn, wie ich meine Filme genauso fesselnd und unterhaltsam gestalten könnte wie er. Er riet mir, dass mein Protagonist Fehler machen muss. Seine Antwort war simpel und klar. Dieser Gedanke faszinierte mich sofort.

In den meisten Filmen werden jene, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen, am Ende bestraft. Bei Ihrem Film ist das nicht so einfach.

Das ist ein interessanter Punkt. In meinem Film ist der eigentliche Hauptcharakter nicht Park Seon-woo, sondern der Ermittler Seo Do-cheol. Das Besondere an Seo, was ihn von Park unterscheidet, ist seine unerschütterliche Treue zu seinen Prinzipien. Selbst wenn er jemanden so sehr verabscheut, dass er ihn am liebsten töten würde, bleibt er seiner Pflicht treu. Er würde selbst das Leben eines Verbrechers retten. Für ihn bedeutet das die wahre Gerechtigkeit.

Park hingegen ist kein typischer Schurke. Ich wollte zwei unterschiedliche Auffassungen von Gerechtigkeit und die Konflikte zwischen den beiden darstellen. Gerechtigkeit ist immer eine Frage der Perspektive, ihrem historischen Kontext und ihrer Anwendung. Ich glaube nicht an absolute Gerechtigkeit oder absolute Wahrheit. Vielmehr möchte ich mein Publikum dazu einladen, seine eigenen Werte zu hinterfragen, anstatt ihm vorgegebene Botschaften aufzudrängen.

Worin unterscheidet sich die Handlung der Fortsetzung?

Oft hat man den Eindruck, dass die Vergangenheit weniger belastend oder irgendwie einfacher als die Gegenwart war. Wir neigen dazu zu glauben, dass wir gerade die härtesten Umstände erleben, während es anderswo friedlicher zugeht oder andere es leichter haben. Doch wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass es doch ähnlich ist. Innerhalb von sich rasch verändernden Gesellschaften können als Folge des Wandels diverse Probleme entstehen.

Mein erster Veteran konzentrierte sich weniger auf einzelne Schicksale, sondern mehr auf die Gesellschaft und das System als Ganzes. Der Fokus der Fortsetzung liegt hingegen stärker auf den individuellen Geschichten der Menschen. In einer Szene etwa hilft die Frau des Ermittlers einer Vietnamesin und ihren Kindern – nicht über offizielle Kanäle, sondern aus persönlichem Antrieb einer ganz gewöhnlichen Person.

Ich glaube, dass eine von Verzweiflung geprägte Gesellschaft, deren Hoffnung schwindet, die Samen der Zuversicht bereits sät, sobald nur eine Person wachsam und bewusst handelt. Statt meine Hoffnungen auf Politiker zu setzen, die große Reden über die Rettung der Menschheit schwingen, finde ich wahre Zuversicht in den ganz normalen Menschen, die still und beständig für ihre Familien, Freunde und Kollegen da sind.

Was, denken Sie, könnte einen Einfluss auf die jüngere Generation ausüben?

Die Solidarität unter Koreanern ist tief in der Gesellschaft verwurzelt, teilweise aufgrund der einzigartigen geografischen Lage des Landes. Anders als in Europa, wo Länder über Straßen leicht erreichbar sind, ist Korea so gut wie isoliert. Eine Reise ins Ausland ist nur per Flugzeug oder Schiff möglich; man kann nicht einfach eine Grenze überqueren. Diese Isolation, noch verstärkt durch die Teilung in Süd- und Nordkorea, erzeugt ein Gefühl der Abgeschiedenheit, fast so, als lebten wir auf einer Insel. Dies förderte über die Jahre ein starkes Gemeinschaftsgefühl, weil wir eng zusammenhalten mussten.

Für die jüngere Generation sieht das allerdings etwas anders aus. Durch das Internet und soziale Medien sind sie heute im Vergleich zu ihren Großeltern viel stärker mit der Welt verbunden. Sie kommunizieren mühelos mit Menschen in anderen Ländern, was ihr globales Bewusstsein erweitert. Diese neue Verbundenheit beeinflusst auch ihren Gemeinschaftssinn, der in früheren Generationen so stark ausgeprägt war. Zwar ist der Zusammenhalt untereinander nach wie vor stark, doch die jüngeren Koreaner fühlen sich zunehmend auch als Teil der globalen Gemeinschaft.

Gibt es eine Chance auf Veteran 3?

Zurzeit arbeite ich an einem Spionage-Actionfilm, in dem süd- und nordkoreanische Geheimagenten bei der Aufklärung von Verbrechen nahe der russischen Grenze aufeinandertreffen. Was Veteran 3 angeht, so führe ich tatsächlich Gespräche mit meinen Schauspielern. Je nach Resonanz des Publikums auf Veteran 2 könnten wir die Geschichte eventuell weiterführen.

Smugglers (2023) entführt in die 1970er Jahre und erzählt von Taucherinnen, die in gefährlichen Schmuggel verwickelt werden. Der Film begeistert mit fesselnder Erzählweise, herausragenden Schauspielerleistungen und einer detailgetreuen Darstellung der Epoche.
© Next Entertainment World (NEW)

Tatiana Rosenstein freie Journalistin

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